Nach wie vor wird die Cannabisbranche von Männern dominiert. Selbst in dieser Industrie, der man unterstellen könnte, besonders progressiv zu sein, sinkt der Anteil von Frauen. Wir haben 15 Frauen ausgewählt, die das ändern wollen und die Cannabis-Branche in Zukunft noch stärker prägen werden. Lest hier den dritten und letzten Teil unserer dreiteiligen Reihe
Adele Hollmann
Business Development and Education Manager –
Adult-Use bei der Sanity Group
“Cannabis muss aus der Schmuddelecke raus”
Die Liebe zu Cannabis hat Adele (27) auf wissenschaftlichem Wege entdeckt: Im Rahmen ihres Studiums der Agrar- und Gartenbauwissenschaften an der Humboldt Universität hat sie sich intensiv mit der Pflanze und ihrem vielseitig einsetzbaren Potential beschäftigt. Die Arbeit an ihrem Doktortitel hat Adele zwar begonnen, wollte jedoch schnellstmöglich in die Cannabis-Branche eintauchen: Erst ein paar Praktika in den Semesterferien, dann Vollzeit bei der Sanity Group als Business Development and Education Managerin. (Ein Doktortitel lässt sich schließlich jederzeit nachholen.)
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Aline Gralke hat sie die Marke “Grashaus Projects”, den ersten schweizerischen Pilotversuch für Genuss-Cannabis, in die Wege geleitet.
Adele ist es wichtig, ihr Wissen mit anderen Menschen zu teilen. Kurz vor der Legalisierung in Deutschland will sie dazu beitragen, die weit verbreitete Unsicherheit sowie das vorherrschende Unwissen über Cannabis durch eine umfangreiche, studienbasierte Aufklärung aus dem Weg zu räumen . Welche Tipps sie darüber hinaus für ein großes (Frauen-)Netzwerk in der Cannabis-Branche hat, und warum sie sich manchmal wie eine moderne Hexe fühlt, erzählt Adele im Interview.
Sanity Group: Welche Erfahrungen hast du bisher als Frau in der Cannabis-Branche gemacht?
Adele: Bisher hatte ich vor allem positive Erfahrungen, ich konnte am Anfang meiner Karriere auch leicht Fuß fassen. Allerdings merke ich langsam: Je weiter ich komme, desto mehr muss ich kämpfen. Das macht mir aber auch Spaß, denn in dieser Branche ist der Umgang freundlich. Schließlich geht es um die Passion, und alle wollen dasselbe Ziel erreichen. Sich gegenseitig zu unterstützen und zu pushen bedeutet auch, sich mit anderen Personen zu connecten. Ich bin gerne Teil von Frauennetzwerken wie bspw. CannaFem oder SheRise. Hier finden sich tolle Frauen aus verschiedenen Cannabis-Firmen zusammen, die sich untereinander austauschen und gegenseitig unterstützen.
Du hast bereits ein großes Netzwerk in der Cannabis-Branche. Wie hast du das geschafft?
Ehrlich gesagt, interessiere ich mich einfach für Cannabis und die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten und was sie zu erzählen haben. Allgemein herrscht in der Cannabis-Branche ein freundschaftlicher Vibe, wodurch man auch gern Zeit mit den Menschen verbringt und sich auf natürlichem Wege austauscht. Darüber hinaus gibt es ein paar Tricks, die mir geholfen haben: Ich habe ziemlich früh meinen Instagram Account green.adeleholly erstellt. Dort teile ich, wer ich bin und was ich mache. So habe ich auch bereits andere Menschen gefunden, die in der Cannabis-Branche tätig sind. Auch auf LinkedIn bin ich sehr aktiv. Es ist einfacher zu netzwerken, wenn man sich bereits online kennt und sich dann auf Messen trifft. Also würde ich jedem oder jeder ans Herz legen: Wenn ihr in diesem Bereich aktiv werden wollt, zeigt einfach, was ihr könnt, für was ihr steht und was ihr erreichen wollt.
Vielen Dank für die Tipps! Glaubst du eigentlich, dass eine besondere Verbindung zwischen Cannabis und Frauen besteht? Wenn ja, welche?
Erst einmal: Die Pflanze, die wir zum Konsum nutzen, ist weiblich. (lacht) Außerdem gibt es viele Anwendungsbereiche, die speziell für Frauen zutreffen, in denen Cannabis genutzt werden kann, wie z. B. bei Menstruationsschmerzen oder bei PMS. Hinzu kommt, dass Cannabis aus meiner Sicht eine weibliche Wirkung hat, wenn es die richtigen Sorten sind. Die floralen Sorten lösen sehr weibliche Energien aus, sprich man wird harmonisch, liebend und vielleicht auch spirituell.
Apropos spirituell: Du hast einmal erwähnt, du würdest dich wie eine moderne Hexe fühlen. Was meinst du damit?
Im Rahmen meines Studiums bin ich Pflanzen und Pilzen sehr nahe gekommen und sie haben mich sofort gecatcht. Insbesondere die, die eine psychoaktive Wirkung haben. Das betrifft unter anderem Cannabis, psilocybinhaltige Pilze und Ayahuasca – eben alles, was in der Natur vorkommt und verboten ist, aktuell aber wiederentdeckt wird und für bestimmte medizinische Zwecke eingesetzt werden könnte.
Die Forschung steht noch am Anfang, es kommt aber langsam ins Rollen – vor allem in Deutschland. Ich möchte meinen professionellen Fokus auf die Wiederentdeckung von Substanzen legen, die in der Natur vorkommen und einen positiven Effekt auf uns Menschen ausüben können. Früher haben Hexen anderen Menschen mit natürlichen Substanzen geholfen, obwohl sie in der Gesellschaft nicht akzeptiert wurden. Für mich ist das eine Analogie zur modernen Hexe, denn ich möchte die Substanzen, die wir in der Natur finden können, wiederentdecken und damit einen neuen Umgang lernen. Und ich denke, das ist möglich.
Durch dein Studium sowie eine Schulung zur Cannabis-Sommeliére hast du dich als Cannabis-Expertin etabliert. Inwiefern kannst du anderen Menschen mit deinem Wissen helfen?
Ich habe beispielsweise das Fachpersonal in der Schweiz für die erste legale Verkaufsstelle Europas geschult, indem ich mein Wissen über Wirkung, Nebenwirkungen und die Produkte weitergegeben habe. Das Fachpersonal soll somit den Kunden und Kundinnen beratend zur Seite stehen.
Prinzipiell ist es einfach wichtig, dass wir in der aktuellen Umbruchphase gut über das Thema aufklären. Cannabis muss aus der “Schmuddelecke” raus, vor allem weil so viel Unsicherheit und Unwissen herrscht. Es gibt viele gute Studien, die wir verstehen und letztendlich auf verständliche Weise mit anderen Menschen teilen müssen.
Außerdem sollten wir informierte Konsumentscheidungen treffen, unsere eigene Konsumkompetenz fördern und die von anderen, wenn sie diesbezüglich Hilfe benötigen. Wir sollten immer professionell und “educated” an die Sache rangehen. Vor allem in Hinblick auf die Legalisierung sollten wir mit Politiker:innen reden können. Aktivismus ist richtig und gut, wir müssen aber auch die Sprache der Politiker:innen kennen, um wirklich mit ihnen kommunizieren zu können. Nur so können wir letztendlich eine Veränderung bewirken.
Dr. Viola Brugnatelli
Co-Founder von Cannabiscienza und Cannabiscientia SA
“Die harmonische Einführung von Cannabis im Gesundheitswesen unterstützen”
Viola ist wissenschaftliche Autorin und Herausgeberin, Forscherin und Dozentin, (Co-)Gründerin und italienische Botschafterin der International Association for Cannabinoid Medicine (IACM): Diese Frau brennt für Cannabis!
Ähnlich wie bei Adele gilt Violas Interesse hauptsächlich der Interaktion zwischen natürlichen Produkten (Pflanzen, Gewürzen, Lebensmitteln und endogenen Molekülen) und dem Nervensystem. Ihr Studium der Neurowissenschaften hat Viola mit einer Diplomarbeit über die Pharmakologie von “Orphan-Rezeptoren” abgeschlossen, die an der Schmerzwahrnehmung beteiligt sind. Darüber hinaus erforschte sie die entzündungshemmende Wirkung von CBD und Cannabis-Terpenen. Als enthusiastische Aktivistin setzt sie sich für das Recht auf eine Cannabis-Behandlung ein und treibt die wissenschaftliche Kommunikation mit der Öffentlichkeit an: Sie nimmt an zahlreichen Messen teil, schreibt für Fachzeitschriften und steht für Interviews zur Verfügung. Darüber hinaus sagt sie: “Ich setze mich für Patientenrechte, Ökologie und Gleichberechtigung ein und habe 2018 eine Non-Profit-Organisation [“LERN Herstory”] mitgegründet, die sich für die Gleichberechtigung von Frauen im europäischen Cannabisbereich einsetzt.”
Außerdem ist sie Mitbegründerin von Cannabiscienza, einer Online-Fortbildungsplattform für Ärzte und Ärztinnen sowie Apotheker:innen. 2022 gründete sie mit ihrem Kollegen Andrea Cristofoletto das nächste Unternehmen namens Cannabiscientia SA, das sich als das führende wissenschaftlichen Zentrum für Cannabinoid-Therapien etablieren möchte, das Forschung, medizinisches Fachpersonal und Patienten und Patientinnen miteinander verbindet. Bleibt da überhaupt noch Zeit für Privates? Ja, ein wenig zumindest: Viola startet ihre Tage gerne mit Yoga und Meditation, mit guter Musik lässt sie sie ausklingen.
https://cannabiscienza.it/https://cannabiscientia.com/
Instagram: https://www.instagram.com/violabrugnatelli
Mila Jansen
Die Hash-Queen
“Haschisch als lebenslanger Begleiter”
Wer sich mit der Geschichte von Cannabis – oder um genauer zu sein mit der Geschichte von Haschisch – in Europa näher beschäftigt, kommt an dieser Ikone nicht vorbei: Mila Jansen, auch bekannt als die Hash-Queen. Aber wie kam die heute 79-jährige Titelträgerin zu dieser Ehre?
Ihren ersten Joint rauchte Mila 1964. Sie erzählte vor einigen Jahren: “Damals gab es in Amsterdam kein Gras, also war es ein Haschisch-Joint, und den rauche ich nun schon seit über 50 Jahren.” Mittlerweile steht auch schon fast ihr 60-jähriges Joint-Jubiläum an.
Milas jahrzehntelange Erfahrung hat ihr geholfen, die Haschischproduktion in den 90er-Jahren zu revolutionieren. Dank ihr gibt es den Pollinator®, eine Haschisch-Trommel, sowie die Ice-O-Later®-Technologie, die eine chemiefreie Abtrennung und Sammlung der Trichome einer Blüte ermöglicht. Beide Erfindungen kommen bis heute zum Einsatz.
Wer noch mehr über sie erfahren möchte, kann sich in Milas (englischer) Biographie “How I Became The Hash Queen” auf über 500 Seiten verlieren. Das Buch ermöglicht Einblicke in das Leben einer Pionierin, die sich schon immer in einer männlich dominierten Branche durchzusetzen wusste: Mit 21 Jahren eröffnete sie die Boutique Kink 22 in Amsterdam, die ein paar Jahre später zu einem Teehaus wurde, in dem Haschisch geteilt (aber nicht verkauft) wurde. Danach lebte Mila 14 Jahre in Indien mit ihren vier Kindern, die sie mit auf Wanderungen durch den Himalaya oder an die Strände von Goa nahm. Sie gründete mit Inderinnen eine Stickerei und verkaufte Perlen- und Paillettenkleider nach New York. Schließlich landete sie wieder in Amsterdam, wo sie bis heute lebt.
Instagram: https://www.instagram.com/milahashqueen/
Dr. Uma Dhanabalan
CEO & Gründerin von Uplifting Health & Wellness
“Cannabis sollte eine Option der ersten Wahl sein, nicht der letzte Ausweg.”
Mit mehr als 40 Jahren Erfahrung hat sich Dr. Uma Dhanabalan auf dem Gebiet der “Pflanzenmedizin” längst etabliert, denn natürliche, ganzheitliche, ayurvedische und alternative Behandlungen sind ihr Spezialgebiet. Sie ist eine hoch angesehene Ärztin mit einer Ausbildung in Arbeits- und Umweltmedizin, außerdem Gründerin der Global Health & Hygiene Solutions LLC mit einer Praxis namens Uplifting Health & Wellness in Natick (Massachusetts) und Expertin für medizinisches Cannabis an der Massachusetts Medical Society (Medizinerverband).
Als Ärztin setzt sie sich speziell für Cannabis als “Ausstiegsdroge” sowie als Alternative zu Opiaten zur Behandlung von Schmerzen und Entzündungen ein, die häufig mit Sportverletzungen einhergehen. Dr. Uma Dhanabalan bietet weltweit Cannabis-Beratungen an und nimmt jedes Jahr an diversen medizinischen Konferenzen teil, um als Cannabis-Aktivistin, Autorin und Expertin aufzutreten. 2018 tourte sie beispielsweise durch die USA und moderierte die Podiumsdiskussion “Doc & Jocks”, in der sie mit NFL-Profisportlern über den Einsatz von Cannabis gesprochen hat. 2023 wurde sie auf der HamCan in Hamburg mit dem “Lifetime Achievement Award” ausgezeichnet, der ihr von Adele übergeben wurde.
Dr. Uma Dhanabalan trägt also weltweit einen immensen Beitrag zur medizinischen Aufklärung von Cannabis als Medizin und dessen Einsatzgebiete bei – mit der Hoffnung, dass Cannabis künftig nicht mehr als letzter Ausweg für Patienten und Patientinnen infrage kommt, sondern als Option der ersten Wahl.
(The) Dank Duchess
Haschisch-Expertin
“Der “All Weed Everything”-Lebensstil”
Die Mission: Das Bewusstsein für Cannabis und psychedelische Wellness weltweit verbreiten. Wie? In den Printmedien, Videos und Sozialen Medien über hochwertiges Cannabis und Haschisch sprechen. Das ist der Plan der Dank Duchess, um weltweit zur Cannabis-Aufklärung beizutragen.
Für die Dank Duchess ist Cannabis ein essentieller Teil ihrer Existenz und mit ihrer Hingabe zu einem “All Weed Everything”-Lebensstil hat sie einen Weg gefunden, es vollständig in ihr Leben zu integrieren. Vom Pflanzenanbau bis zu kulinarischen Kreationen, von der Meditation bis zum Training – sie lässt Cannabis in jeden Aspekt ihres Lebens einfließen. “Cannabis ist zum Genießen und zur Erleuchtung da”, sagt die US-Amerikanerin. “Es ist ein Hilfsmittel, und wenn es als solches verwendet wird, ermöglicht es ein tieferes Lernen und ein erweitertes Bewusstsein für uns selbst und die Welt um uns herum.” Im Rahmen ihres Studiums an der Howard University erwarb sie zuerst einen Bachelor of Science in Psychologie, danach machte sie einen Master in Landschaftsarchitektur. Durch ihre jahrelange Erfahrung im Anbau und in der Herstellung von Haschisch kann sie kleinen Farmen und großen Anbaubetrieben als Haschisch-Beraterin zur Seite stehen, indem sie ihnen die Herstellung beibringt und Tipps zur Effizienz-Steigerung gibt.
Ihr Steckenpferd sind sogenannte “templeballs” – glänzende, sehr hübsche Haschischkugeln. Wie sie diese zubereitet, lehrt sie in Haschisch-Kursen. Für die, die nicht an einem solchen Kurs teilnehmen können, könnten auch die Videos der Dank Duchess auf Youtube interessant sein.
Ihr (Lebens-)Motto dürfte übrigens nicht überraschen: “Cannabisblüten treiben meine Kraft an und Haschisch ist meine Nische”, sagt sie.
Instagram: https://www.instagram.com/thedankduchess/
Youtube: https://www.youtube.com/@TheDankDuchess
Dies war Teil 3 unserer dreiteiligen Serie über die 15 einflussreichsten Frauen im Cannabis-Business. Schaut euch auch gerne Teil 1 und Teil 2 unserer Reihe an und erfahrt noch mehr über zehn weitere einflussreiche Frauen im Cannabiz