Women in Weed (2): Die 15 einflussreichsten Frauen im Cannabis Business

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Nach wie vor wird die Cannabisbranche von Männern dominiert. Selbst in dieser Industrie, der man unterstellen könnte, besonders progressiv zu sein, sinkt der Anteil von Frauen. Wir haben 15 Frauen ausgewählt, die das ändern wollen und die Cannabis-Branche in Zukunft noch stärker prägen werden. Lest hier Teil 2 unserer dreiteiligen Reihe

Aline Gralke, Senior Marketing Manager Adult Use Sanity Group und Brand Owner Grashaus Projects

Innerhalb von nur drei Jahren hat sich Aline (29) als feste Größe in der Cannabis-Branche etabliert. In ihrer Rolle als Senior Marketing Manager:in für die Sanity Group hat sie die einzelnen Marken der Gruppe mitgestaltet und sich darüber hinaus auch um den Bereich New Business gekümmert. Zuletzt war sie maßgeblich am Aufbau der ersten wirklich legalen Abgabestelle Europas im schweizerischen Allschwil im Kanton Basel beteiligt. Hier ist die Sanity Group als einziges deutsches Unternehmen an den ersten schweizerischen Modellversuchen für Genuss-Cannabis beteiligt.

Aline ist eine Person, die als Frau “gelesen” wird und entsprechend auch die negativen Erfahrungen anderer Frauen im Cannabis-Business teilen kann. Sie glaubt allerdings, dass dies nicht auf die Cannabis-Branche allein beschränkt ist, sondern für viele weitere von Männern dominierte Branchen gilt, wo nicht nur Frauen, sondern auch nicht-binäre Personen und People of Color weiterhin marginalisiert werden und einigen Hindernissen begegnen, die “hetero-normative” Männer so nicht haben. Was Aline also innerhalb der Cannabis-Industrie wahrgenommen hat, deckt sich mit dem, was man auch von anderen Industrien kennt: Messen sind oft sehr gut besucht, Frauen sieht man wenige. Und nicht nur dort: “Als ich auf der letzten Spannabis-Messe in Barcelona war, dachte ich teilweise, ich habe ein Klassentreffen einer Knabenschule gecrasht”, berichtet sie, “viele Paneldiskussionen auf Messen oder zum Beispiel auf Networking Events sind immer noch sehr stark mit Männer besetzt – obwohl mir viele Frauen einfallen, die auch dort sitzen könnten und vielleicht sogar ein bisschen kompetenter wären.”
Sie nimmt aber auch wahr, dass sich das in den letzten Jahren ein bisschen gebessert hat, dass sich Veranstalter:innen mehr Mühe geben, Panel-Diskussionen diverser zu gestalten. “Man sieht viel mehr unterschiedliche Gesichter, und ich glaube, das hat auch einen sehr positiven Einfluss auf die Industrie und die Community.”

Es mag für viele überraschend sein, dass es diese Ungleichheit und Marginalisierung überhaupt noch gibt, vor allem in einer Branche, von der man annehmen könnte, dass sie grundsätzlich eher liberal und progressiv ist und die Gleichberechtigung von Frauen kein Thema mehr sein sollte. Leider scheint das nicht der Fall zu sein. In den USA ist der Anteil von Frauen im Cannabusiness in den letzten Jahren sogar von 28 auf 21 % gefallen.

Warum gibt es deiner Meinung nach noch immer so wenige Frauen im Business?

“Man könnte ja argumentieren, dass Frauen im Schnitt auch weniger Cannabis konsumieren als Männer. Ich glaube aber nicht, dass das der Grund ist, denn der prozentuale Unterschied ist jetzt nicht so groß, wie man vielleicht erwarten würde. Ich glaube, dass es eher an ähnlichen Faktoren liegt wie in anderen männerdominierten Branchen auch. Als Frau hat man einfach bestimmte Hindernisse, die man erstmal überwinden muss, wo die männlichen Kollegen vielleicht schon eine Ziellinie weiter sind. Frauen müssen sich zum Beispiel mit Aspekten wie Gender Pay Gaps auseinandersetzen. Flexibilität am Arbeitsplatz und Remote Work sind für viele Frauen auch wichtiger als für Männer.”

Viele berufliche Chancen würden auch erst durch Networking entstehen, etwas, das manche Frauen eher meiden, um zum Beispiel unangenehme oder übergriffige Situationen zu vermeiden, so Aline. Es gebe immer noch diese “Gentlemen’s Club-Systeme” in vielen Industrien, wodurch eben Frauen zum Teil weniger Zugang zu bestimmten Berufsfeldern und Industrien haben als Männer, sagt sie.

“Natürlich ist es super unangenehm, wenn du als Industrieteilnehmerin an einer Messe teilnimmst und Sales-Vertreter anstelle von zielführenden Networking-Gesprächen erst mal mit dir flirten wollen. Das ist einfach eine sehr unangenehme Situation, der man gerne aus dem Weg geht. Was natürlich dazu beitragen kann, dass sich auch weniger Frauen aktiv an dieser Industrie beteiligen möchten.”

Gibt es deiner Ansicht nach Bereiche in der Cannabisindustrie, in denen Frauen besser agieren würden als Männer?

“Ich glaube, dass Geschlecht ein soziales Konstrukt ist. Es geht am Ende des Tages um die individuellen Fähigkeiten, die man mitbringt, zum Beispiel Empathie. Wie sehr ist man daran interessiert, die Zielgruppe auch wirklich tiefgründig kennenzulernen, ihre Bedürfnisse zu verstehen und auch zu erfüllen? Wie egozentriert arbeitet man? Ist immer alles ein Wettbewerb oder geht man vielleicht doch Kooperationen ein?” 

Was ist deine Prognose für die nächsten Jahre? Ist die geplante Legalisierung ein ermutigendes Zeichen? Oder hättest du mehr erwartet?

“Ich freue mich natürlich auf der einen Seite, dass in Deutschland etwas in Bewegung kommt. Wir haben schon sehr lange darauf gewartet und sehr lange dafür gekämpft. Ich glaube aber auch, dass Deutschland zum Teil aufgrund der EU-Gesetze die Hände gebunden sind. Aber was wir jetzt noch im Gesetzesentwurf sehen, vor allem in der ersten Säule mit den Anbauvereinigungen, das ist so restriktiv aufgesetzt, dass ich glaube, dass es sehr, sehr schwierig wird, so eine legalisierte Welt zu schaffen. Ich glaube, dass auch Konsument:innen deutlich mehr Dinge beachten müssen mit der Legalisierung als bisher. Bisher war es einfach nicht erlaubt, Cannabis zu besitzen. Das wusste man, damit konnte man umgehen. Mit den Legalisierungsplänen muss man nun so viel beachten. Ich glaube, dass wir es deutlich einfacher hätten haben können. Ich freue mich aber sehr auf die zweite Säule.” 

Warum sollten denn deiner Meinung nach mehr Frauen dem Business oder der Community beitreten und sich öffentlich zeigen?

Weil Studie nach Studie zeigt, dass dadurch bessere Entscheidungen in Organisationen  getroffen werden, wenn die Gruppe der Entscheidungsträger:innen eine diverse Gruppe von Menschen mit ganz, ganz unterschiedlichen Backgrounds ist. Und Frauen gehören da ganz klar dazu.

Lisa Haag, CEO und Gründerin von MJ_Universe

Die weibliche Sichtweise in die Cannabis-Diskussion einbringen.”

Lisa Haag ist eine der führenden Stimmen in der deutschen Cannabis-Bewegung. Seit mehr als sechs Jahren ist sie eine der Frauen, die die Cannabisbranche maßgeblich mitgestalten. Seit 2017 ist sie aktives Mitglied im CannaFem-Netzwerk, im Juli 2018 gründete sie die MJ_UNIVERSE GmbH, dessen “Mission” sie so beschreibt: “Als Unternehmerin engagiere ich mich für Projekte, die Cannabis als Medizin voranbringen, für einen fortschrittlicheren und realistischeren Rechtsrahmen und für Aktivitäten, die Cannabis in den Mainstream bringen. Meine Mission ist es, das volle Potenzial von Hanf und Cannabis zu erschließen.”

Dafür arbeitet sie mit einem Netzwerk von spezialisierten Expert:innen zusammen, um unter anderem Unternehmen zu beraten, die sich im europäischen Cannabis-Ökosystem zurechtfinden wollen. Lisa ist außerdem Gründungsmitglied und Teil des Vorstands des deutschen Branchenverbands Cannabiswirtschaft (BvCW) e.V. 
Während in den USA bereits mehrere Frauengruppen in der Hanfszene existieren, war die Bewegung bisher in Deutschland eher männlich dominiert. Mit der Gründung des CannaFem Netzwerks in Deutschland änderte sich das. “Für Frauen bieten sich in der Cannabisbranche enorme Chancen zur Selbstverwirklichung”, so Lisa. Sie könnten so mehr Vielfalt in die Cannabis-Wirtschaft bringen. Ihr ultimativer Tipp: “Frauen sollten sich nicht unter Wert verkaufen.”

Amy Margolis, US-Cannabis-Anwältin

“Der Geschlechterdiskrepanz in der Cannabis-Branche ein Ende setzen.”

Amy Margolis hat sich in den letzten 20 Jahren als eine der renommiertesten Cannabis-Anwältinnen etabliert. Ihre Leidenschaft für die Sache, ihre fundierte Expertise und ihr Engagement für eine gerechtere und transparentere Regulierung machen sie zu einer inspirierenden Persönlichkeit in der Cannabis-Bewegung. Amy begann ihre juristische Laufbahn in Oregon, wo sie sich auf Strafrecht spezialisierte. Doch ihr Interesse für Cannabis-Recht erwachte, als Oregon 2014 den legalen Verkauf von Cannabis für den Freizeitgebrauch genehmigte. Sie erkannte das Potenzial dieses aufstrebenden Marktes und widmete sich fortan dem Schutz der Rechte von Cannabis-Unternehmen und -konsument:innen.
Ihre Kanzlei, “The Initiative Law Group,” richtet sich mit ihrem Programm ausschließlich an weibliche Cannabis-Unternehmerinnen. Amy und ihr Team zeigen Gründerinnen den Zugang zu verschiedenen Finanzmitteln auf und erstellen mit ihnen gemeinsam Businesspläne. Das Ziel: der Geschlechterdiskrepanz in der Cannabis-Branche ein Ende setzen.

Neben ihrer juristischen Tätigkeit ist Amy Margolis auch als Speakerin und Aktivistin aktiv. Sie setzt sich für die Rechte von Cannabis-Patient:innen und -Unternehmer:innen ein und engagiert sich in verschiedenen Organisationen, die sich für die Legalisierung und Entkriminalisierung von Cannabis einsetzen.
www.intheinitiative.com
http://www.margolislegal.com/

Bonni Goldstein: Canna-Centers Wellness & Education

“Cannabis ist Medizin.”

Über 14 Jahre lang arbeitete Bonni Goldstein als Ärztin in der pädiatrischen Notfallmedizin. Auf Dauer waren die vielen Nachtschichten jedoch nicht mehr mit ihren Pflichten als Mutter vereinbar. Gerade als sie nach einer beruflichen Alternative suchte, fragte sie ein guter Freund, der schwer erkrankt war, nach medizinischem Cannabis. Im Rahmen ihrer Recherche wurde ihr bewusst, wie erschreckend wenig sie als Medizinerin über das Endocannabinoidsystem und die Wirkung von Cannabinioiden wusste. Als ihr Freund von den positiven Wirkungen des medizinischen Cannabis berichtete, wusste sie, dass sie das nächste Kapitel ihrer Karriere gefunden hatte. Sie entschied sich, sich für den Einsatz von medizinischen Cannabis zu engagieren und eröffnete 2008 das “Canna-Centers Wellness & Education” in Kalifornien, das sich der Aufklärung von Patient:innen über die Verwendung von Cannabis bei schweren und chronischen Erkrankungen widmet. Durch ihre Arbeit ist Dr. Goldstein eine treibende Kraft bei der Integration von Cannabis in die Schulmedizin und bot schon zahllosen Menschen, die nach alternativen Behandlungsmethoden für ihre Krankheiten suchen, Hoffnung und Erleichterung. Sie hat eine entscheidende Rolle dabei gespielt, die Wahrnehmung von Behandlungen auf Cannabisbasis zu verändern.
Durch ihre Bücher “Cannabis is Medicine: How Medical Cannabis and CBD are Healing Everything from Anxiety to Chronic Pain (2020) und “Cannabis Revealed: How the world’s most misunderstood plant is treating everything from chronic pain to epilepsy” (2017) hat sie sich als medizinische Expertin etabliert. Dr. Goldstein ist eine gefragte Rednerin und hat ihre klinischen Ergebnisse auf zahlreichen medizinischen Konferenzen vorgestellt. Sie ist auch in der Netflix-Dokumentation “Weed the People” zu sehen. 
https://www.canna-centers.com/

Anja Charbonneau: Broccoli Magazine

“Der Rausch steht nicht im Vordergrund.”

Schaut man sich den Markt deutscher Magazine zur Cannabis-Kultur an, fällt schnell auf, dass das Layout bei den meisten in den 1980er Jahren stehengeblieben ist. Die Gestaltung ist wenig attraktiv und übersichtlich, die Themenwelt zementiert oft nur die Gedanken einer gewissen (männlichen) Hardcore Stoner- und Growerszene.
Ganz anders das Broccoli Magazine: ein frisches modernes Layout, verspielte Bildwelten und überraschende Themen haben das Magazin von Anja Charbonneau aus Portland zu einer unübersehbaren Größe im Cannabis-Zeitschriftenmarkt gemacht. Es erscheint dreimal im Jahr und ist nach Angaben der Herausgeberin und Chefredakteurin in über 40 Ländern erhältlich.
Im Broccoli Magazine wird der Cannabiskonsum als EIN Lebensaspekt unter vielen aufgefasst, als Lifestyle, der das Leben bereichern kann. Charbonneau möchte dem Stoner-Klischee ein vielfältigeres, realistischeres und ästhetisch anspruchsvolleres Bild entgegensetzen. Dabei wendet sich die gebürtige Kanadierin ausdrücklich an weibliche Konsumierende, eine Zielgruppe, die von der einschlägigen Literatur bislang weitgehend vernachlässigt wurde. „Es gibt viele Frauen, für die Cannabis ein wichtiges Thema ist“, sagt sie. „Sie gehen meist sehr bewusst damit um und entwickeln ihre ganz persönlichen Rituale.“ Anders als bei den meisten Männern stehe dabei jedoch nicht der Rausch, sondern das körperliche Wohlbefinden im Vordergrund.
https://broccolimag.com/
https://www.gossamer.co/articles/anja-charbonneau

Dies war Teil 2 unserer dreiteiligen Serie über die 15 einflussreichsten Frauen im Cannabis-Business. Bleibt dran, und erfahrt im nächsten (und letzten) Teil mehr über zehn weitere Persönlichkeiten, u.a. über unsere Sommelière Adele Hollmann