Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC): Warum seine Arbeit auch nach 5 Jahren Cannabis in der Medizin noch unerlässlich ist

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Seit 2017 sind Cannabispräparate zu medizinischen Zwecken in Deutschland legal. Doch die theoretische Grundlage weicht von der reellen Handhabung oft weit ab: Praktiker:innen aus Pharmazie und Medizin, aber auch Patient:innen, beklagen zahlreiche Hürden auf dem Weg zur Arznei. Um hier Hilfestellung zu bieten, hat sich der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) gegründet. Sein Ziel ist es, die Versorgung von Patient:innen mit qualitätsgesichertem Cannabis zu sichern. Seine Aktivitäten reichen vom Dialog mit politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlich relevanten Institutionen über die Durchführung von fachlichen Veranstaltungen bis hin zur Sammlung und Analyse aktueller Informationen zu medizinischem Cannabis.

Wozu ein Interessenverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen?

Was ein Gesetz bewirken kann, entscheidet sich erst in seiner Anwendung: 

Seit 2017 können Cannabispräparate zu medizinischen Zwecken in Deutschland verschrieben werden. In der Praxis stellte sich die Handhabung jedoch bald als verbesserungswürdig heraus. Etwa galt die Studienlage für viele Indikationen als klar unzureichend – ohne dass bisher die notwendigen Anstrengungen unternommen wurden, diese signifikant zu optimieren. Daraus ergeben sich bis heute viele Unsicherheiten für Mediziner:innen: Denn die Entscheidung für die Cannabistherapie muss gegenüber Krankenkassen konkret belegt werden. In Ermangelung eines adäquaten Studienkorpus kann dies bereits die erste Herausforderung sein.


Ferner berichtet ein beträchtlicher Teil der Patient:innen zudem über eine Ablehnung der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Versicherungsträger: Obwohl der Genehmigungsvorbehalt laut Gesetz nur in Ausnahmefällen zum Einsatz kommen sollte, liegt die Zahl der abgeschmetterten Anträge bei einem Volumen von 30 bis 40 Prozent.

BPC: Ein Netzwerk für Patient:innenwohl und Wissenschaft

Vor diesem Hintergrund wurde 2020 der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen e.V. (BPC) ins Leben gerufen. Bisher vereint er
24 Mitglieder aus dem pharmazeutischen Bereich, von Arzneimittelherstellern bis hin zu beratenden Unternehmen. Die Sanity Group ist Gründungs- und Vorstandsmitglied.
Der Bundesverband erfasst den politischen, gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Handlungsbedarf: So steht er im konstanten Austausch mit relevanten Institutionen, um die Gesamtsituation zu verbessern. Konkret erwirken will er hier sowohl einen einheitlichen Rechtsrahmen, signifikant mehr Forschung, sowie eine verbesserte Verordnungsfähigkeit und Kostenerstattung von Cannabisarzneimitteln (CAM).


Seinen Mitgliedern bietet er ein vielfältiges Veranstaltungsangebot von Tagungen und Fortbildungsveranstaltungen, sowie fundiertes Informationsmaterial rund um das Thema Medizinalcannabis. Er hilft ihnen dabei, strategisch zu netzwerken und fördert den Dialog auch mit Institutionen auf internationaler Ebene. 

Die 7 wichtigsten Ziele des BPCs

Der Bundesverband pharmazeutischer Cannabinoidunternehmen stellt in seinem Grundsatzpapier sieben konkrete Forderungen auf.

 

1. Die hohen Hürden bei der Verschreibung von medizinischem Cannabis sollen gesenkt werden.

Der BPC will die Therapieverantwortung der verschreibenden Mediziner:innen insgesamt stärken. Außerdem soll ihr Verwaltungsaufwand reduziert werden. Auch Weiter- und Fortbildungen zu den medizinischen Einsatzmöglichkeiten von Cannabisarzneimitteln werden gefordert.

2. Die Kostenerstattung soll gesichert werden, der Genehmigungsvorbehalt eingegrenzt.

Angesichts der enorm hohen Ablehnungsrate der Cannabistherapie durch gesetzliche Krankenkassen fordert der BPC u.a. die Anpassung des Genehmigungsvorbehalts: Was als „begründeter Ausnahmefall“ fungiert, soll stark eingegrenzt werden. Außerdem sollen Formalitäten in der Beantragung der Therapie durch z.B. standardisierte Antragsmasken gesenkt werden: Statt stundenlang mühsam Papiere auszufüllen, könnten verschreibende Mediziner:innen dann aufwands- und ressourcenssparender online die Therapie beantragen. Auch eine Überarbeitung des MDK-Leitfadens zugunsten der Patient:innen, sowie eine bundesweite Vereinheitlichung der Genehmingungspraxis sollte nach Ansicht des BPC erfolgen.

3. Die Versorgungssicherheit soll durch sichere Importe und mehr Anbau in Deutschland gewährleistet werden. 

Der BPC setzt sich stark für die Etablierung eines relevanten innerdeutschen Cannabisanbaus ein, um deutsche Qualitätsstandards gewährleisten zu können. Er will die Anbau- und Versorgungsstrukturen von Medizinalcannabis signifikant gefördert sehen und betont gleichfalls die Notwendigkeit von eindeutigen Transport- und Importregelungen.

4. Die Forschung zu Medizinalcannabis muss gefördert werden.

Ein großes Herzensanliegen ist dem Bundesverband die längst überfällige Evidenzgenerierung: Er fordert u.a. die Ausweitung von Grundlagenforschung zu unterschiedlichen Symptomen, sowie zu Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten und die staatliche Finanzierung von Forschungsprojekten nach israelischem Vorbild. Auch die Anerkennung von Studien aus dem Ausland und erleichterten Zugang zu Routine-, Studien- und Registerdaten hält er für zielführend. Darüber hinaus setzt er sich für die Einrichtung eines Forschungslehrstuhls für Cannibinoidforschung ein

5. Innovative Darreichungsformen für Cannabisarzneimittel sollen ermöglicht werden.

Therapieziele sollen im Vordergrund stehen: Innovative Darreichungsformen, etwa Gel-Kapseln wie in Dänemark, sollen auch in Deutschland möglich werden. Hierzu wird die Aufnahme einer „Innovationsklausel“ in § 31 Abs. 6 SGB V vorgeschlagen.

6. Apotheken sollten entlastet werden, um die regionale Versorgung zu stabilisieren. 

Bisher verarbeiten nur 5 bis 10 % der deutschen Apotheken Cannabinoid-Ausgangsstoffe zu Rezepturarzneimitteln, da die Herstellung derselben für die Apotheker:innen mit enormem Ressourcenaufwand verbunden ist. Das möchte der BPC u.a. durch kürzere Identitätsfeststellungen und sinnvollere Regularien ändern.

7. Ein einheitlicher regulatorischer Rahmen für Medizinalcannabis soll geschaffen werden.

In Konsequenz fordert der BPC die bundesweit einheitliche Umsetzung des bestehenden Rechtsrahmens für Medizinalcannabis – und alles, was dazu notwendig ist, wie etwa eindeutige regulatorische Definitionen und Qualitätsstandards für die verfügbaren Cannabisarzneimittel.

Positionierung in der Legalisierungsdebatte

Der BPC ist sich seiner gesamtgesellschaftlichen Verantwortung umfassend bewusst. Er versteht es daher als seine Aufgabe, auch in aktuellen Diskursen Position zu beziehen. Im Lichte der bevorstehenden Cannabislegalisierung plädiert er zum Beispiel für hohe Qualitätskontrollen und strikten Jugendschutz. Auch die Gefahr, dass Medizinalcannabispatient:innen aus Kostengründen auf den Genusscannabismarkt ausweichen, hält er für gegeben: Dem könnte jedoch mit der ohnehin geforderten Aufhebung des Genehmigungsvorbehalts, sowie leichterer Kostenerstattung, beizukommen sein. Zur Verdrängung des Schwarzmarktes hält er die Sicherstellung flächendeckender Versorgung für zwingend notwendig. Dem angedachten Werbeverbot steht er insofern stark skeptisch gegenüber, als dass er darin die aus seiner Sicht notwendige Aufklärung selbst gefährdet sieht.

Fazit:

Der Bundesverband pharmazeutischer Cannanbinoidunternehmen e.V. ist der erste Verband, der deutschlandweit die Interessen aller Medizinalcannabis-Stakeholder wahrnimmt: Zuvorderst jenes der Erkrankten. Doch im zweiten Schritt auch aller Parteien, die aktiv am Patient:innenwohl arbeiten, wie z.B. verschreibende Ärztinnen und Ärzte, Apotheker:innen, Arzneimittel herstellende Unternehmen oder Wissenschaftler:innen.
Ausführlichere Informationen dazu gibt es auf der Webseite des Bundesverbands.

Beitragsbild: Google.com / apotheke-adhoc.de