Zuerst die gute Nachricht: Der Alkoholkonsum der Jugend sinkt konstant. Das hat der Report der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung ergeben. Allerdings: Der Konsum von Cannabis steigt ebenso konstant. Und die Daten lassen darauf schließen, dass er sich auch häuft: So ist der Anteil der 18- bis 25- Jährigen, die in den letzten 30 Tagen vor der Befragung Cannabis konsumiert hatten, von viereinhalb Prozent im Jahr 2008 auf zwölf Prozent im Jahr 2021 geklettert. Auch die jüngeren Semester greifen der Befragung nach häufiger zum Joint: Hatten 2010 noch 1,7 Prozent im Monat vor der Umfrage Cannabis konsumiert, so lag dieser Anteil 2021 schon mehr als doppelt so hoch. Ebenfalls verdoppelt hat sich die Zwölf-Monats-Prävalenz bei den 18- 25 Jährigen beider Geschlechter. Insgesamt lag der Anteil der Cannabiskonsumierenden laut Report bei rund 4,5 Millionen Personen im Alter von 18 bis 64 Jahren. Bei jeder vierten Person lag ein problematischer Konsum vor.
Drogenpolitik: Ein kurzer Ländervergleich
So erstaunt es wenig, dass nicht nur die Bundespsychotherapeutenkammer die bisherige Drogenpolitik für gescheitert erklärt: Immer mehr Kriminolog:innen, Jurist:innen und Politiker:innen glauben nicht mehr, dass die herkömmlichen Restriktionen dazu beitragen, den Konsum zu reduzieren. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn man ins Nachbarland schaut: Frankreich hat mit die rigideste Cannabis-Politik Europas – und gleichzeitig die höchsten Jugendkonsument:innenzahlen.
Eine vergleichende Studie und der wissenschaftliche Dienst des Deutschen Bundestags sind sich daher einig: Ein kausaler Zusammenhang zwischen freizügiger Cannabispolitik und Konsumverhalten ist wissenschaftlich bisher nicht belegbar. Dort allerdings, wo kriminelle Banden die Belieferung des (illegalen) Markts sichern, steigt das Risiko von gestreckten und somit gesundheitsgefährdenden Produkten. Verunreinigte Cannabisprodukte können großen gesundheitlichen Schaden erzeugen – je nachdem, ob die Ware mit Haarspray und zerstoßenen Scherben oder gar mit härteren Drogen versetzt wurde.
Cannabiskonsum kann Nebenwirkungen haben
Doch auch der Konsum von nicht verunreinigtem Cannabis kann durchaus negative Folgen haben, etwa für das adoleszente Gehirn. Cannabisprodukte wirken berauschend, wenn sie den Wirkstoff THC enthalten. Der Rauschzustand kann individuell in Ausprägung und Intensität variieren. Auswirkungen aufs Gehirn werden vor allem in jungen Jahren festgestellt: Dann kann der präfrontale Cortex in Mitleidenschaft gezogen werden – und das wiederum hat Auswirkungen auf Konzentration oder Problemlösungsverhalten. Ferner wird eine hohe THC-Konzentration mit der Auslösung von Psychosen in Verbindung gebracht. Von ihren Gegner:innen wird die geplante Legalisierung daher häufig als ein Signal der universalen Verharmlosung von Cannabis interpretiert.
Anders argumentiert die aktuelle Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP: Gerade weil in jungen Jahren oder bei einer Disposition zu psychischen Krankheiten nicht mit Hanfprodukten zu spaßen ist, habe sich die Ampelkoalition das Projekt der Legalisierung auf die Fahnen geschrieben. Nur so lasse sich ein effektiver Gesundheits- und Jugendschutz wirklich gewährleisten – indem der illegale Markt verdrängt und eine offene Präventionsarbeit ermöglicht werde.
O’zapft is vs. O’graucht is: Eine alte neue Debatte
Bei allen realen Risiken muss Cannabis jedoch auch ins Verhältnis zu anderen legalen Rauschmitteln gesetzt werden, zum Beispiel zu Alkohol. Zwar hatte die Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke (FDP) mit ihrem Tweet zum Oktoberfest „O’graucht is“ die Lacher auf ihrer Seite. Der Hintergrund ihres Posts ist jedoch gar nicht so witzig. Daran erinnerte die Grünen-Politikerin Linda Heitmann zum Jahreswechsel: In einem Welt-Interview versuchte die Suchtspezialistin der Grünen u. a. für die Gefahren von Alkohol zu sensibilisieren. Denn tatsächlich sind die gesundheitlichen Konsequenzen in vielerlei Hinsicht deutlich drastischer als die bei Cannabisprodukten. Alkohol bestitzt nachweislich krebserregende Eigenschaften und kann u. a. Hirnschäden bei chronisch starkem Konsum verursachen – in jedem Alter. Das Risiko, bei Überdosierung zu sterben, ist hoch. Neun Millionen Menschen in Deutschland – also über zehn Prozent der Bevölkerung – ”frönen” einem problematischen Konsum. Die durch Alkohol verursachten Todesfälle belaufen sich im Schnitt auf 74 000 pro Jahr.
Konsum mit Köpfchen: Empfehlungen aus Kanada
Dass Cannabis nicht derart lebensgefährlich ist, entbindet jedoch nicht von einem verantwortungsvollen Umgang. Kanada etwa hat Leitlinien für einen risikoärmeren Konsum aufgestellt. Darin werden klare Handlungsempfehlungen gegeben, die folgende Bereiche umfassen:
- Einen altersgerechten Konsum
- Beachtung des THC-Gehalts, denn je höher der THC-Gehalt eines Produkts, desto höher ist das Risiko für psychische Probleme
- Keine Vermischung mit anderen schädlichen Produkten wie Tabak oder Alkohol
- Hinweise für den Straßenverkehr
- Hinweis auf Risikogruppen
In Kanada ist der Konsum nach der Legalisierung in Teilen sogar zurückgegangen.
Fazit: Steigender Konsum erfordert Prävention
Der Cannabis-Konsum steigt – trotz oder gerade wegen einer Verbotspolitik. THC-haltige Produkte sind nicht zu harmlosen, ein verantwortungsvoller Umgang damit ist jedoch möglich. Schritte dahin kann die Legalisierung bieten, z. B. mit Leitlinien oder von der Cannabisindustrie selbst geförderter Prävention.
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FAQ
Wie viele Menschen in Deutschland konsumieren regelmäßig Cannabis?
Im Alter zwischen 18 und 64 wurden in Deutschland 4,5 Millionen Menschen als Cannabis-Konsument:innen gezählt. Allerdings kommen noch ein paar Minderjährige hinzu – hier kann es eine Dunkelziffer geben.
Wer sollte Cannabis nicht konsumieren?
Cannabis kann Psychosen auslösen, aber auch Spätfolgen haben. Diese Gruppen sollten Cannabis nicht konsumieren:
- Jugendliche bis zu 21 Jahren, um eine gesunde und vollständige Entwicklung des Gehirns nicht zu beeinträchtigen (Auswirkungen aufs Gehirn werden vor allem in jungen Jahren festgestellt: Dann kann z. B. der präfrontale Cortex in Mitleidenschaft gezogen werden – und das wiederum hat Auswirkungen auf Konzentration oder Problemlösungsverhalten)
- Psychisch gefährdete Personen: Labilen Menschen sowie Menschen mit einer Psychose- oder Schidzophreniegeschichte in der Familie wird stark von Cannabiskonsum abgeraten
- Herzkranke Personen
- Schwangere und Stillende
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