Cannabidiol (CBD) ist eines von 113 bis heute isolierten Cannabinoiden der weiblichen Hanfpflanze – und frei von jeder berauschenden Wirkung. Das macht es zu einem medizinisch sehr wertvollen Teil der Cannabis-Pflanze. Juristisch kann es als neuartiges Lebensmittel eingestuft werden und unproblematisch in Kosmetik zum Einsatz kommen. Dem Phyto-Cannabinoid werden zahlreiche gesundheitsfördernde Wirkungen nachgesagt: von Schmerzlinderung über Entzündungshemmung bis hin zur Krebsprävention – am wissenschaftlichen Corpus zu besagten Indikationen wird jedoch noch gearbeitet.
In Zusatztherapien zu Epilepsie oder Multipler Sklerose kommt Cannabidiol aufgrund seiner möglichen krampflösenden Wirkung hingegen bereits zum Einsatz. Ansonsten sind CDB-Produkte eher im Lifestyle-Bereich angesiedelt: als Beruhigungstee, Haarshampoo oder Öl.
Raphael Mechoulam: Pionier der ersten Stunde
Entdeckt wird Cannabidiol zu Beginn der 1940er Jahre: Der Zeitpunkt fällt mitten in die Ära eines politisch motivierten Feldzugs gegen den Hanfkonsum. Das Interesse an intensiverer Forschung bleibt daher überschaubar – vorerst.
1963 isoliert Raphael Mechoulam das Phyto-Cannabinoid zum ersten Mal. Ende der 70er Jahre leitet er eine Studie, bei der er CBD einen krampflösenden Effekt nachweisen kann. Doch die Teilnehmerzahl von acht Probanden ist weit entfernt davon, als repräsentativ zu gelten. Und obwohl vieles darauf hindeutet, dass Cannabidiol einige gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzt, gilt Cannabis insgesamt nach wie vor als anrüchig.
Die neue Sorte: Ein Engel für Charlie
Ab den 1990er Jahren wendet sich das Blatt: Das Endocannabinoid-System wird entdeckt – wieder von Mechoulam. Die Tatsache dass Mensch und Tier körpereigene Rezeptoren extra für die Interaktion mit Cannabinoiden besitzen, revolutioniert den wissenschaftlichen Blick auf’s Thema.
Den Durchbruch in der öffentlichen Wahrnehmung feiert Cannabidiol jedoch erst knapp zwei Jahrzehnte später. 2011 züchten ein paar Brüder in Colorado eine Nutzhanfsorte mit einem hohen CBD-Anteil. Aufgrund des niedrigen THC-Gehalts taufen sie ihre Schöpfung „Hippi’s Dissappointment“. Denn: Berauschen kann sich damit keiner. Aber es hilft der kleinen Epilepsie-Patientin Charlotte „Charlie” Figi, ihre vormals etwa 50 Anfälle pro Tag auf drei im Monat zu reduzieren – und das nach zahllosen gescheiterten Therapien mit anderen Medikamenten.
Erfolgsgeschichten zwischen Erfahrungsbericht und Heilmittelwerbegesetz
Diesmal geht die Geschichte als TV-Dokumentation um die Welt, stößt auf gewaltiges Interesse sowie zahlreiche Nachahmer:innen. Die Hanfsorte wird umgetauft in „Charlotte’s Web“. Tatsächlich besteht in Bezug auf die Heilwirkung von CBD eine Kluft zwischen euphorischen Erfahrungsberichten Betroffener und den deutlich zurückhaltenderen Aussagen von Hersteller:innen. Einer der Gründe hierfür ist auch juristischer Natur: Während es einer CNN-Reihe ohne Weiteres erlaubt ist, außergewöhnliche Erfolge wie den der Charlotte Figi zu erzählen, gelten für Produzent:innen von Arznei- oder Lebensmitteln hierzulande die Regeln des Heilmittelwerbegesetzes.
Es bildet den rechtlichen Rahmen für Werbung im deutschen Gesundheitswesen. Nach dem Gesetz gilt es auch als irreführend, solche Fälle wie den der Charlotte Figi allzu prominent auszustellen und für sich zu nutzen. Erlaubt ist die Bezugnahme auf ein Corpus wissenschaftlicher Studien mit ausreichend statistischer Signifikanz – doch das muss für CBD in vielen Fällen erst noch erhoben werden. So wird auch sichergestellt, dass Kund:innen über mögliche Risiken und Nebenwirkungen aufgeklärt werden.
Das Endocannabinoidsystem: Was bekannt ist und was nicht
Während die wissenschaftliche Evidenz CBD mittlerweile einen Platz in Zusatztherapien für Epilepsie sichern konnte, fehlen zu vielen anderen Effekten noch ausreichende Studien. Dass Cannabidiol prinzipiell sehr vielfältig auf die menschliche Gesundheit einwirken kann, scheint indes plausibel.
Denn Endocannabinoid-Rezeptoren befinden sich überall im Körper: Vom Gehirn über verschiedene Organe bis hin zu Nerven-und Immunzellen. Während CB1-Rezeptoren u.a. an Erinnerung, Entscheidungsprozessen und emotionalen Reaktionen beteiligt sind, spielen CB2-Rezeptoren vor allem für’s Immunsystem eine tragende Rolle. Doch die insgesamt komplexe Wirkweise des Endocannabinoidsystems ist noch nicht umfassend erforscht – und die pleiotropen Eigenschaften des Cannabidiols selbst tun ihr Übriges.
Bei Lifestyle-Produkten gilt: CBD kann helfen – muss aber nicht
Erfolgt eine juristische Einstufung jenseits medizinischen Mehrwerts ist der Nachweis von systematisch reproduzierbaren Heileffekten nicht relevant. Das heißt, die verschiedenen CBD-Produkte können durchaus verschiedene Beschwerden lindern – sie müssen es aber nicht. Solange der aktuellen Studienlage Rechnung getragen wird und Hersteller nicht explizit mit medizinischen Versprechen werben, entstehen ihnen keine Verpflichtungen:
Verbraucher:innen können dann selbst testen ob der Wirkstoff sich bei ihnen anti-entzündlich, beruhigend oder appetitfördernd auswirkt – oder ihnen einfach nur Glanz in die Haare zaubert. Hierbei gilt: Der THC-Gehalt eines legalen CBD-Produkts darf in Deutschland grundsätzlich nicht über 0.2% liegen.
Die Darreichungsformen: Vollspektrum, Breitspektrum und Isolat
Organisches CBD wird in Deutschland aus Nutzhanf gewonnen. Wird es als Vollspektrum-Öl angeboten, sind Terpene und Flavonoide noch enthalten: Beiden Inhaltsstoffen werden gesundheitsfördernde Wirkungen zugesprochen. Sie befinden sich auch im Breitspektrum-Öl. Diesem allerdings wird auch der letzte Rest THC komplett entzogen. Von Isolat hingegen spricht man beim puren und reinen CBD-Molekül – also der Variante, die von sämtlichen anderen Stoffen bereinigt ist. Es kann sowohl organisch als auch synthetisch hergestellt werden. Bei der Weiterverarbeitung ist es aufgrund der genauen Messbarkeit seines CBD-Gehalts beliebt. Der Vorteil von Vollspektrum-Ölen wird hingegen in seinem Entourage-Effekt gesehen: Also einer stärkeren Wirkung der einzelnen Wirkstoffe durch das Zusammenspiel der verschiedenen Komponenten.
Der Weg zu mehr Wissen: Mehr Forschung
Eine große Diskrepanz sieht Sanity Group-CEO Finn Hänsel zwischen der enormen Beliebtheit und dem Wissen darüber, was CBD eigentlich ist – und wie es wirkt:
„Wir erleben bei den Kund:innen unserer Subbrands wie zum Beispiel Vaay regelmäßig, dass Menschen CBD immer noch für ein Rauschmittel halten.“
Am bekanntesten scheine der Einsatz in der Schmerzlinderung.
„Grundsätzlich ist es so, dass Menschen, die selbst schon mal medizinisches Cannabis konsumiert haben, aufgeschlossener für CBD-Produkte sind. Das ist nur logisch. Denn wer eine Wirkung am eigenen Leib erlebt hat, braucht im Prinzip keinen Experten, der ihm das offiziell bestätigt. Wir als wissenschaftlich orientiertes Unternehmen würden es allerdings stark begrüßen, wenn der Forschungsstand zum Thema deutlich ausgeweitet würde. Zum Einen um Mythen vorzubeugen, vor allem aber auch um Menschen zu helfen.“
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