Legalisierung von Cannabis: So denken die Deutschen über die geplante kontrollierte Abgabe zu Genusszwecken

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Im Auftrag des Berliner Cannabisunternehmens Sanity Group haben das Marktforschungsinstitut Statista und das Meinungsforschungsinstitut Civey in den vergangenen Monaten die Einstellung in Deutschland zur Legalisierung von Cannabis für Erwachsene zu Genusszwecken untersucht. Das Ergebnis: Zwei Drittel der Deutschen befürworten die geplante Legalisierung, Wähler:innen der Regierungsparteien sind mehrheitlich dafür. Darüber, wo Cannabis nach der Legalisierung verkauft werden soll, gibt es unterschiedliche Ideen.
  • Eine große Mehrheit der deutschen Bevölkerung (66 Prozent) befürwortet die Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken
  • Vorerfahrungen mit Medizinalcannabis führen zu einer insgesamt offeneren Einstellung
  • Die im Eckpunktepapier festgehaltenen Pläne der Bundesregierung zur Legalisierung begrüßen insgesamt 34 Prozent der Deutschen; die Zustimmung liegt bei jüngeren Befragten bei über 50 Prozent und nimmt mit zunehmendem Alter immer weiter ab
  • Junge Menschen erhoffen sich von der Legalisierung bessere Produktkontrolle

Cannabis scheint unter den Bundesbürger:innen mehrheitlich ein eher positiv besetztes Image als Arzneimittel zu genießen: 64 Prozent der Befragten der repräsentativen Statista-Umfrage unter 1004 Bürger:innen im Alter zwischen 18 und über 70 Jahren im Auftrag der Sanity Group assoziieren Hanf mit Medizin, 52 Prozent stufen Cannabis als Heilpflanze ein. Der Gedanke an eine illegale Substanz ist jedoch nicht ganz vom Tisch: Immerhin 52 Prozent der Befragten assoziieren Cannabis auch mit Kriminalität. Einem knappen Drittel (31 Prozent) fielen hingegen zuerst Hanfprodukte wie Öle, Shampoos oder Nahrungsergänzungsmittel ein. Als besonderes Merkmal einer Subkultur wertete es weniger als jeder Dritte: 28 Prozent assoziieren Cannabis vor allem mit der 68er-Bewegung, 18 Prozent mit Hip-Hop-Kultur.

Starkes Interesse an der politischen Diskussion

Das grundsätzliche Interesse am Thema Cannabis-Legalisierung ist insgesamt sehr groß: 70 Prozent der Befragten verfolgen nach eigenen Angaben die Diskussion darum. In der Gruppe der 18- bis 29-Jährigen sind es sogar 87 Prozent. Dabei gaben 39 Prozent aller Befragten an, noch nie Cannabis konsumiert zu haben und es auch nicht ändern zu wollen, auch nicht im Falle einer Legalisierung. Ein knappes Viertel (23 Prozent) hat zwar ebenfalls noch nie Cannabis konsumiert, kann sich aber vorstellen, es auszuprobieren. Zwei Prozent der Befragten haben bereits aus gesundheitlichen Gründen Erfahrungen mit Cannabis gesammelt – von ihnen befürworten 89 Prozent die Legalisierung.

Mehrheit befürwortet Legalisierung

Insgesamt befürwortet eine Zweidrittelmehrheit der Befragten (66 Prozent) die Legalisierung von Cannabis. Ein signifikantes Gefälle besteht hierbei zwischen den verschiedenen Altersgruppen: Während 80 Prozent der 18- bis 29-Jährigen sich dafür aussprechen, sinkt der Anteil der Befürworter:innen mit zunehmendem Lebensalter; bei den 30- bis 49-Jährigen hält noch eine große Mehrheit von 68 Prozent das angestrebte Gesetz für eine gute Idee, bei den 50- bis 69-Jährigen sind es immerhin noch 65 Prozent. Bedenkenträger:innen finden sich vor allem bei den Senior:innen: Ab 70 Jahren aufwärts ist eine knappe Mehrheit von 51 Prozent sogar gegen eine Legalisierung.

Dafür, dass Cannabisbesitz grundsätzlich straffrei bleiben sollte, spricht sich ebenfalls eine signifikante Mehrheit aus – auch hier scheint das Alter Einfluss auf die Einstellung zu nehmen: Für 68 Prozent der Befragten zwischen 18 und 29 Jahren sowie 67 Prozent zwischen 30 und 49 Jahren sollte der Besitz von Rauschhanf prinzipiell erlaubt sein. In der Gruppe der 50-69-Jährigen sind 61 Prozent der gleichen Ansicht. Erst bei den Über-70-Jährigen sinkt der Anteil der Befürworter:innen unter den der Gegner:innen stark: Mit 49 Prozent findet immerhin noch knapp die Hälfte der Senior:innen, dass niemand für den Besitz von Cannabis bestraft werden sollte.

Wo soll Genusscannabis verkauft werden?

Darüber, wo Cannabis nach einer Legalisierung verkauft werden sollte, gibt es unterschiedliche Ansichten: Jede:r Zweite spricht sich für einen Verkauf in lizenzierte Fachgeschäften aus, wie von der Bundesregierung angestrebt; zwei von drei Personen können sich auch den Kauf in einer Apotheke vorstellen. Immer noch 27 Prozent wären einverstanden mit ausgewählten staatlichen Institutionen. Persönliche Erfahrungswerte scheinen ausschlaggebend dafür zu sein, wie weit man die Abgabe lockern würde: Wer selbst bereits krankheitsbedingt medizinisches Cannabis konsumiert hat, kann sich mit 23 Prozent deutlich häufiger einen unkomplizierten Verkauf an der Supermarktkasse vorstellen – 16 Prozent der selben Gruppe befürworten sogar die Ausgabe am Kiosk. Von den Menschen, die selbst noch keine Erfahrung mit Medizinalcannabis haben, teilen hingegen nur sieben Prozent diese Meinung. Knapp die Hälfte der Befragten (54 Prozent) ist der Ansicht, dass die Abgabe von Cannabis einer Altersbeschränkung unterliegen sollte, und fände sogar eine Deckelung der Verkaufsmenge pro Person richtig.

Wer selbst bereits krankheitsbedingt medizinisches Cannabis konsumiert hat, kann sich mit 23 Prozent deutlich häufiger einen unkomplizierten Verkauf an der Supermarktkasse vorstellen

Wie eine Legalisierung sich gesellschaftlich auswirken könnte, schätzen die Befragten erneut nach Alter unterschiedlich ein: Bei den Befragten über 70 Jahren befürchten 74 Prozent einen ansteigenden Konsum unter Jugendlichen und 80 Prozent einen steigenden Konsum insgesamt. Hingegen glauben 67 Prozent der jüngeren Befragten, dass die Legalisierung unerwünschte Nebenwirkungen abmildern wird. 

Wie finden die Deutschen das Eckpunktepapier zur Genusscannabislegalisierung?

Die deutsche Bundesregierung hat im Herbst 2022 offiziell die Eckpunkte für eine Cannabis-Legalisierung in Deutschland vorgestellt. So sollen u. a. Cannabis und der Wirkstoff THC rechtlich nicht mehr als Betäubungsmittel eingestuft werden, für den Eigenkonsum sollen 20 bis 30 Gramm Cannabis straffrei sein, ein Eigenanbau von bis zu drei Pflanzen pro volljähriger Person soll erlaubt werden, ebenso der Verkauf an Erwachsene in lizenzierten Fachgeschäften und eventuell Apotheken.

Ingesamt begrüßen 34 Prozent der Deutschen die im Eckpunktepapier der Bundesregierung vorgestellten Pläne zur Cannabis-Legalisierung zu Genusszwecken, fast ebenso viele (37,8 Prozent) bewerten sie umgekehrt als nicht gut, wie eine Anfang November 2022 durchgeführte repräsentative Civey-Umfrage im Auftrag der Sanity Group ergab. Dabei spielt das Alter eine große Rolle: Die Zustimmung liegt bei jüngeren Befragten bei über 50 Prozent und nimmt mit zunehmendem Alter immer weiter ab. So bewerten 56,4 Prozent der 18- bis 29-Jährigen und 46,9 Prozent der 30- bis 39-Jährigen die Eckpunkte positiv, bei den 40- bis 49-Jährigen sieht immer noch eine knappe Mehrheit (38,8 Prozent) die Pläne der Regierung positiv. Unentschieden ist die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen. Klar negativ bewerten Menschen über 65 Jahren die Pläne (47,3 Prozent).

Interessant ist auch ein Blick auf die Zustimmungswerte je Bevölkerungsdichte: Je dichter besiedelt eine Region ist, desto positiver fällt das Urteil zu den Plänen der Regierung aus. So stehen den knapp 54 Prozent der Stadtbewohner:innen, die die Eckpunkte positiv sehen, rund 27 Prozent derjenigen, die auf dem Land wohnen und die Pläne kritisch sehen, entgegen. Im Osten des Landes wird das Papier grundsätzlich kritischer gesehen als im Rest des Landes.

Sollten auch Edibles erlaubt werden?
Die Bundesregierung möchte laut Eckpunktepapier bei einer Cannabislegalisierung Darreichungsformen zum Rauchen, Inhalieren, zur nasalen und oralen Aufnahme in Form von Kapseln, Sprays und Tropfen erlauben – Edibles, also Kekse und Co., sind nach Eckpunktepapier zunächst nicht geplant. Gefragt danach, ob der Verkauf von Edibles nach einer Cannabis-Legalisierung auch erlaubt werden sollte, zeigt sich fast jede:r zweite Befragte zwischen 30 und 49 Jahren offen dafür; ab 50 Jahren überwiegt die Abneigung dem gegenüber – dies könnte damit zusammenhängen, dass ältere Befragte tendenziell eher gegen eine Cannabis-Legalisierung sind.

Wie denken jeweils die Wähler:innen?

In einer weiteren Umfrage durch das Befragungsinstitut Civey im Auftrag der Sanity Group wurde untersucht, in welchem Zusammenhang Wahlabsicht und Meinung zur Legalisierung stehen: Demnach sind unter den Wähler:innen der Regierungsparteien 64,3 Prozent der Grünen-Wählerinnen, 45,5 Prozent der FDP-Wähler:innen und 43,7 Prozent der SPD-Wähler:innen für eine Cannabislegalisierung zu Genusszwecken; für die Verwendung von Cannabis nur zu medizinischen Zwecken sind jeweils 23,5 Prozent der Grünen-, 28,4 Prozent der FDP- bzw. 40 Prozent der SPD-Wähler:innen. 

Linke-Wähler:innen sind zu 50 Prozent für eine Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken (31,3 Prozent für die medizinische Verwendung); rund jede:r fünfte Unions-Wähler:in (21,8 Prozent) begrüßt eine Legalisierung – die Mehrheit der Wähler:innen von CDU/CSU (44,3 Prozent) findet, Cannabis sollte nur für medizinische Zwecke legal bleiben. Interessant ist ein genauerer Blick in die Antworten von jüngeren Unions-Wähler:innen: Unter den 18- bis 39-Jährigen stimmen 35,8 Prozent für eine kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken, weitere 7,9 Prozent sind der Ansicht, dass Cannabis zumindest entkriminalisiert sein sollte, 37,2 Prozent sind für die Beibehaltung von Cannabis in der Medizin und 17,7 Prozent sind der Meinung, Cannabis sollte illegal sein. AfD-Anhänger:innen sind zu 27,1 Prozent für eine Legalisierung von Genusscannabis (34,5 Prozent für die Beibehaltung für medizinische Zwecke). 

Interessant ist auch ein Blick auf die Antworten ausgewertet nach Familienstand: So sind 49 Prozent derjenigen, die Kinder im Haushalt haben, für eine Legalisierung zu Genusszwecken; bei den Menschen ohne Kinder im Haushalt sind es 38,9 Prozent. Das könnte den Rückschluss zulassen, dass Eltern das Thema Jugendschutz durch eine regulierte Legalisierung offenbar besser umgesetzt sehen als aktuell.

Sortiert nach Wahlabsichten, fällt auch die Zustimmung bzw. Ablehnung gegenüber den im Eckpunktepapier festgehaltenen Plänen der Regierung unterschiedlich aus. So bewerten Anhänger:innen der SPD, Grünen und Linken die Pläne im Eckpunktepapier mehrheitlich positiv, während – wenig überraschend – Wähler:innen aus dem konservativen Lager die Eckpunkte negativer sehen. Interessant ist die Ansicht der FDP-Wähler:innen, die die Eckpunkte mit knapp 44 Prozent als eher negativ bewerten (35,5 Prozent positiv) – möglich, dass den Liberalen die Pläne noch nicht weit genug gehen.

Ob die Cannabis-Legalisierung in Deutschland letztlich kommt und wenn ja, wie sie dann im Detail umgesetzt wird, das steht auch zum aktuellen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht fest. Es bleibt spannend.

Ob die Cannabis-Legalisierung in Deutschland letztlich kommt und wenn ja, wie sie dann im Detail umgesetzt wird, das steht auch zum aktuellen Zeitpunkt jedenfalls noch nicht fest. Es bleibt spannend …!

Letztes Artikel-Update am 03.11.2022: Umfrage-Ergebnisse zum Eckpunktepapier hinzugefügt

Verwendetes Beitragsbild: Shutterstock