Produktionsmodelle: Welches verspricht was – und für wen?

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Im Zuge der angestrebten Legalisierung von Genusscannabis und den komplizierten rechtlichen Verwicklungen ist eine ganz zentrale Frage noch nicht ganz erörtert: die nach der Herstellung. Die Sanity Group stellt einige Produktionsmodelle kurz vor – inklusive ihrer Vor- und Nachteile.

Inhalt: 

  1. Einleitung: Warum lohnt es sich, beim Cannabis-Anbau vorzudenken?

  2. Produktionsmodell Nummer 1: Privater Eigenanbau

  3. Produktionsmodell Nummer 2: Cannabis Social Clubs 

  4. Produktionsmodell Nummer 3: Landwirtschaftlicher Standard

  5. Produktionsmodell Nummer 4: Pflanzliche Arzneimittel nach Ph. Eur. 5.1.8., Kategorie C

  6. Produktionsmodell Nummer 5: Nicht-sterile pharmazeutische Zubereitungen zur Inhalation nach Ph. Eur. 5.1.4.

  7. Fazit: Wenn es um Genusscannabis geht, sind aller guten Dinge vier

Einleitung: Warum lohnt es sich, beim Cannabis-Anbau vorzudenken

Die Ampelregierung ist mit vielen guten Vorsätzen zum gesellschaftlichen Wandel angetreten: Einer davon ist die Legalisierung von Genusscannabis. Ziel ist ein verbesserter Gesundheits- und ein deutlich gestärkter Jugendschutz. Doch ganz so einfach wird es nicht – denn völker- wie EU-rechtlich sind noch einige Hürden zu meistern, bis das Prestigeprojekt der Koalition in die Umsetzung gehen kann. Die juristischen Rahmenbedingungen haben auch einen konkreten Einfluss auf die Produktionsbedingungen und -modelle: Etwa könnte ohne Modifizierung der internationalen Verträge schwerlich Cannabis aus anderen Ländern importiert werden; im Inland hingegen wäre der anfallende Energieverbrauch gewaltig. Auch mögliche Regulierungsgrade variieren von Modell zu Modell. Grund genug, sich bereits jetzt mit verschiedenen Produktionsmöglichkeiten auseinanderzusetzen.

Factsheet

Factsheet: Produktionsmodelle von Genusscannabis

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Produktionsmodell 1: Privater Eigenanbau

Die heimische Cannabiszucht im kleinen Stil soll bei einer Cannabis-Legalisierung in Deutschland künftig legal möglich sein. Die Qualität der Ernten variieren beim Eigenanbau (englisch: “Homegrown”) je nach Umweltbedingungen, Fachwissen und grünem Daumen der Züchter:innen – ist also ohne Gewähr. Findet der Anbau in der Wohnung oder Garage statt, kann der Cannabis-Anbau durch das für die Zucht notwendige Licht und Gerät zum beachtlichen CO2-Produzenten werden. Kinder- und Jugendschutz muss bei der heimischen Zucht gewissermaßen in Eigenregie durchgeführt werden. Um sicherzustellen, dass er gewährleistet bleibt, könnten sich Züchter:innen z. B. strafrechtlich relevant dazu verpflichten, die Ernten – abgesehen vom gemeinsamen Konsum in Echtzeit – nicht an Dritte weiterzugeben. Evtl. könnte auch eine Art “Homegrow-Lizenz” vergeben werden: Ausgeschlossen werden könnten dann z. B. grundsätzlich alle Personen, die in einem definierten Zeitraum vor der Lizenzvergabe  (z. B. fünf oder zehn Jahre) durch Verkauf von Rauschmitteln aller Art an Jugendliche aufgefallen sind. 

Ein Vorteil des Homegrow-Modells: Eine Verunreinigung mit gefährlichen Substanzen wird unwahrscheinlich – und gerade für einkommensschwache Konsument:innen kann das eigene Marihuana-Beet eine bezahlbare Lösung darstellen.

Produktionsmodell Nummer 2: Cannabis Social Clubs (CSCs)

Ein weiteres beliebtes Modell, das etwa in Spanien verbreitet ist, sind die Cannabis Social Clubs.
Hierbei schließen sich Konsument:innen zu Vereinen zusammen, um den Bedarf ihrer Mitglieder zu decken. Die Vereinstätigkeit umfasst Anbau, Transport und Verteilung . Die Clubs unterliegen aufgrund ihrer nicht-kommerziellen Zielsetzung einem expliziten Werbeverbot. Mitglieder müssen sich außerdem dazu verpflichten, die Weitergabe der Cannabiserzeugnisse an Dritte zu unterlassen. Die Clubmitglieder sind häufig passionierte,  erfahrene Züchter:innen, die höchste Qualität anstreben. Diese wird darüber hinaus auch durch die Ausrichtung der Clubs an Leitlinien der ENCOD gesichert, sowie stichprobenartig durch staatliche Behörden kontrolliert. Je nach Anbaugebiet und Expertise kann es dennoch zu Qualitätsschwankungen kommen. Ähnlich wie beim Eigenanbau profitieren hier auch einkommensschwache Konsument:innen von niedrigen Herstellungspreisen. 

Da es den Clubs selbst überlassen bleibt, wie genau sie ihre Cannabispflanzen anbauen möchten, kann jedoch die Energiethematik – vor allem in nordischen Gefilden, in denen Outdoor-Anbau schwierig ist – auch hier eine Rolle spielen. Dem gegenüber steht jedoch der Nachhaltigkeitsfaktor einer gut planbaren, da ausschließlich bedarfsorientierten, Produktion mit kurzen Lieferketten. Eine weitere Parallele zum Homegrow-Modell liegt in der (wahrscheinlich) entfallenden Besteuerung.

Produktionsmodell Nummer 3: Landwirtschaftlicher Standard

In Deutschland dürfen seit 2017 drei lizenzierte Unternehmen Cannabis mit THC für medizinische Zwecke anbauen; landwirtschaftlichen Betrieben ist daneben der Anbau von Nutzhanf, der einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent aufweist (künftig 0,3 Prozent), erlaubt. Dieser erfolgt unter Einhaltung der Good Agricultural and Collection Practice (GACP) und den UN-Richtlinien für Good Agricultural Practice (GAP); ferner ist er HACCP-zertifziert. Auch der Höchstgehalt an Kontaminanten ist vorgeschrieben. Diese anspruchsvollen Qualitätsvorgaben machen den landwirtschaftlichen Anbau zu einem interessanten Produktionsmodell. Ein Vorteil der Methode ist die grundsätzlich bereits vorhandene Infrastruktur, sowohl von Freilandflächen als auch Gewächshäusern. Dies kann potenzielle Investitionskosten senken. Auch ist bei professionellen Landwirt:innen davon auszugehen, dass ihnen das Aneignen notwendiger Fertigkeiten rund um den Cannabis-Anbau leichter fallen kann als gänzlich Fachfremden – auch wenn Cannabis in sich eine anspruchsvolle Pflanze ist, die einige Einarbeitung in Zuchtmodalitäten erfordert. Der Energieverbrauch würde hier überschaubar steigen, wenn bereits die vorhandene Infrastruktur lediglich umfunktioniert würde. Demgegenüber steht zwar der möglichen Einsatzes von Pestiziden als auch ein mögliches Vorkommen von Schwermetall-Verunreinigungen. Bei sorgfältiger Regulierung solcher Rahmenbedingungen gilt die Methode aber als sicher für Konsument:innen mit einem stabilen Immunsystem.

Produktionsmodell Nummer 4: Pflanzliche Arzneimittel nach Ph. Eur. 5.1.8., Kategorie C

Für die Zucht von künftigem Genusscannabis könnte auch der Standard in Frage kommen, der bisher vor allem für pflanzliche Arzneimittel galt. Sein großer Vorteil: Die Qualitätsvorschriften sind hier durch medizinisch verständige Instanzen hoch reguliert. Sie folgen sowohl den Vorgaben des Deutschen Arzneimittel-Codex/Neues Rezeptur Formularium (DAC/NRF), das durch die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände e. V. herausgegeben wird, als auch denen des Europäischen Arzneibuchs. Es werden auch globale GMP-Standards bei der Verarbeitung eingehalten. Etwaige Verunreinigungen sind also so gut wie ausgeschlossen. Der Anbau nach diesen Standards kann sowohl in Gewächshäusern als auch auf dem Freiland erfolgen – und er ist sowohl mit ökologischer als auch Craft-Produktion kompatibel. 

Global besteht grundsätzlich somit zwar ein gutes Netz an qualifizierten Lieferant:innen – im Falle eines Importverbots aufgrund der völker- und EU-rechtlichen Rahmenbedingungen könnte man darauf jedoch nicht zurückgreifen. Dann wäre es fraglich, ob der gesamte Binnenbedarf aus einer solcher Inlandsproduktion gedeckt werden könnte – und wenn ja, zu welchem Energie-Aufwand.

Produktionsmodell Nummer 5: Nicht-sterile pharmazeutische Zubereitungen zur Inhalation nach Ph. Eur. 5.1.4.

Während die Varianten aus Produktionsmodellen 3 und 4 ausdrücklich nur für Menschen mit stabilen Immunsystemen empfohlen werden, wird Medizinalcannabis nach Standards produziert, die auch für immunschwache Menschen eine sichere Alternative der Einnahme bieten. Dieses Modell folgt strikten Vorgaben von DAC/NRF, dem Europäischen Arzneimittelbuch und der EU-GMP.
Allerdings ist der Anbau und die Verarbeitung durch High-Tech-Produktionsstätten insgesamt deutlich kostenintensiver. Ferner erfordert das notwendige Wissen rund um den Anbau hier eine ganz andere Einarbeitung. In Summe limitieren die sehr strengen Auflagen die Anzahl möglicher Produzent:innen – und führen zu einer gewissen Grundverknappung von Ware dieses Standards. Gegenüber Menschen, die Cannabis als Medizin benötigen, wäre es zudem unfair, diese Ernten dem Genusscannabismarkt zuzuführen.

Fazit: Wenn es um Genusscannabis geht, sind aller guten Dinge vier:

  • Verschiedene Produktionsmodelle sind denkbar: Je nach Bedarf, Zielgruppe und Kapazität.
  • Es muss sichergestellt werden, dass die hohen Standards für Medizinalcannabis weiterhin eingehalten werden – und die Arznei reserviert bleibt für Menschen, die sie aus gesundheitlichen Gründen benötigen.
  • Die Sanity Group empfiehlt für Genusscannabis daher die Modelle 1 bis 4: Besonders die Modelle 3 und 4 weisen sehr hohe Qualitätsstandards auf.

 

FAQ

Welche Formen des Anbaus von Cannabis gibt es?

Cannabis kann grundsätzlich out- und indoor angebaut werden, d. h. sowohl unter freiem Himmel als auch drinnen unter Kunstlicht. Welche Anbaumethode nach einer Legalisierung empfehlenswert ist, hängt ganz von den geographischen und meteorologischen Gegebenheiten und dem Know-how der Züchter:innen ab.

Welche Qualitätsstandards in der Produktion von Cannabis gibt es?

Die Standards für die Produktion von Cannabis unterscheiden sich – je nachdem ob die finale Destination der Verarbeitung ein Lebensmittel, Kosmetikum oder ein Medikament ist. Für Genusscannabis wurden bisher noch keine offiziellen Standards erhoben, da die Legalisierung noch nicht umgesetzt ist. 

Welche Strafe bekommt man beim Cannabis-Anbau?

Wer in Deutschland ohne Lizenz Cannabis anbaut, muss bisher mit einer Geldstrafe oder sogar mit bis zu fünf Jahren Freiheitsstrafe rechnen. 

Kann jeder Cannabis anbauen?

Laut Gesetz ist der Anbau von Cannabis mit einem THC-Gehalt von über 0,3 Prozent bisher nur explizit lizenzierten Betrieben und ausschließlich für medizinische Zwecke gestattet. Kommt die Genusscannabis-Legalisierung in Deutschland, wäre, nach aktuellem Plan, der private Anbau von zwei bis drei Pflanzen pro Haushalt gestattet.

Was ist beim Anbau von Cannabis zu beachten?
Der Cannabis-Anbau erfordert grundsätzlich eine umfassende Fachexpertise: Verschiedene Parameter sind zu beachten – von den meteorologischen Gegebenheiten über die Sortenkenntnis bis hin zu Lichtverhältnissen. Beim Cannabis-Anbau indoor stellt sich außerdem die CO2-Frage. 

Ist der Anbau von Cannabispflanzen in Deutschland legal?

In Deutschland dürfen seit 2017 drei lizenzierte Unternehmen Cannabis mit THC für medizinische Zwecke anbauen. Daneben dürfen seit 1996 landwirtschaftliche Betriebe in Deutschland unter strengen Auflagen Nutzhanf anbauen, wenn dieser einen THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent aufweist (künftig 0,3 Prozent). Für Privatpersonen ist der Anbau bisher nicht legal.

Beitragsbild: Unsplash.com