Cannabis kaufen: Online, am Kiosk oder im Fachgeschäft?

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Rund um die bevorstehende Legalisierung von Cannabis zu Genusszwecken sind noch zahlreiche Rahmenbedingungen zu klären. Eine davon: Wo und wie soll die Ware eigentlich verkauft werden dürfen? Hierbei handelt es sich nicht nur um eine rein logistische Frage. Denn die Art des Vertriebs kann auch die erklärten Ziele der Legalisierung konkret beeinflussen – von der Prävention bis hin zur Verdrängung des illegalen Markts. Ein Überblick über verschiedene mögliche Modelle.

Zwei Gramm Cannabis schnell am Kiosk holen – oder doch lieber per Post nach Hause liefern lassen? Angesichts der bevorstehenden kontrollierten Abgabe von Genusscannabis werden verschiedene Vertriebsoptionen diskutiert. Klar ist zwar, dass diese laut Koalitionsvertrag nur in “lizensierten Geschäften” erfolgen soll – doch was genau ein lizenziertes Geschäft sein wird, ob einem solchen auch der Online-Versand gestattet sein soll, oder wer eine solche Lizenz überhaupt bekommen könnte, ist noch im Prozess der Definition.
International unterscheiden sich die bisher angewandten Modelle stark voneinander: Von gemütlichen Coffeeshops in den Niederlanden, in denen zwar der Verkauf legal ist, der Anbau und Einkauf aber nicht, bis hin zu staatlich lizenziertem Anbau und Abgabestellen in Kanada. Im aktuellen Schweizer Pilotversuch zur Legalisierung wird die Art der Verkaufsstelle jeweils im Rahmen der einzelnen Versuchskapitel festgelegt

Schweizer Pilot: Wie macht’s der Nachbar?

Ein näherer Blick auf den Schweizer Nachbarn kann inspirieren: Wie regelt er im Rahmen des Versuchs Vertrieb und Lizenzen? Hierzu ist vorab zu schicken, dass das Projekt zeitlich begrenzt ist. Ziel ist die Evidenzgenerierung, um den späteren, langfristigen Umgang mit dem Thema auf eine valide Datenbasis stellen zu können. Bis dahin kann jede private oder öffentliche Organisation, ob Gemeinde, Kanton oder Stiftung, einen solchen Pilotversuch anmelden. Voraussetzung für die Bewilligung durch das Bundesamt für Gesundheit (BAG) ist jedoch, dass daran ein anerkanntes Forschungsinstitut beteiligt wird. 

Auf Konsument:innenseite gilt: Maximal 5000 Teilnehmende pro regionalem Versuchskapitel sind erlaubt. Sie müssen vorher schon nachweislich Cannabis konsumiert haben, es darf keinerlei gesundheitliche Kontraindikation vorliegen und es ist ihnen strikt verboten, die Substanz an Dritte weiterzureichen. Erfüllen die Versuchsleitenden all diese Voraussetzungen, können sie mit grünem Licht des BAG rechnen. Dann dürfen sie sich ihre Cannabis-Anbauer sowie Produkthersteller selbst aussuchen – und ihre Form der Abgabestelle ebenso. Hier existieren derzeit verschiedene Modelle parallel. Prämisse hierbei ist, dass vor Ort fachkundiges Personal die Konsument:innen beraten und betreuen kann. Die Produkte selbst unterliegen einer strikten Qualitätskontrolle: Als Anbauer darf sich nur bewerben, wer die Auflagen, u.a. zum biologischen Anbau, erfüllt. Die Endpreise sind uneingeschränkt von den Konsument:innen selbst zu tragen. Sie orientieren sich zwar an der THC-Stärke, bewegen sich aber ansonsten auf Schwarzmarktniveau: Weder soll durch Unterbietung eine Wettbewerbsverzerrung begünstigt werden, noch soll der Kostenfaktor ein Grund für den Gang zum illegalen Händler sein. Online-Versandhandel existiert bisher nicht.

Verkaufsstellen oder mögliche Abgabestellen von Cannabis von Hochreguliert bis Leicht reguliert. Verkaufsstellen zudem geordnet von Schwarzmarkt-Verdrängung gerin bis hoch sowie Steuereinnahmen gering bis hoch

Legalisierung: Gegen den Schwarzmarkt, für den Gesundheitsschutz

In Deutschland hingegen ist Cannabis bisher lediglich zu medizinischen Zwecken erlaubt. Das Rezept für sämtliche Darreichungsformen wird entsprechend ausschließlich in Apotheken eingelöst. Doch wären diese auch eine geeignete Abgabestelle für Cannabis zu Genusszwecken? “Das hängt wirklich ganz davon ab, welche Ziele eine Legalisierungsstrategie jeweils konkret verfolgt”, meint Sanity-Group-CEO Finn Hänsel. 


Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), hat hier für Deutschland drei klare Schwerpunkte formuliert:


  • Schwarzmarktbekämpfung

  • Jugendschutz

  • Gesundheitsschutz 


Hieraus können sich unterschiedliche Vertriebsarten ableiten: Denn während die erfolgreiche Bekämpfung des illegalen Markts viel mit einer flächendeckend verfügbaren Infrastruktur und einer moderaten Preisstrategie zu tun hat, sind Jugend- wie Gesundheitsschutz Themen, die persönliche Beratung erfordern – und eventuell auch separate Präventionsarbeit bis in die Schulen hinein.

Viele Fragen warten noch auf Antwort

Blienert ist sich der großen Verantwortung des Legalisierungsprojekts an jeder Stelle bewusst: Dass Cannabisprodukte ausschließlich an Volljährige abgegeben werden sollen, ist selbstverständlich. Dass eine Form der staatlichen Lizensierung erfolgen wird, geht ebenfalls klar aus dem Koalitionsvertrag hervor. Doch die meisten weiteren Parameter für die Umsetzung des Vorhabens scheinen zu diesem Zeitpunkt noch offen. In einem Interview mit dem Tagesspiegel betont der Drogenbeauftragte nachdrücklich die Notwendigkeit zu fachkundiger Kommunikation in der Abgabestelle selbst:

Cannabis darf dort natürlich nicht einfach nur vom Regal in den Einkaufswagen wandern, es muss darüber gesprochen und informiert werden

Das lässt auf den Wunsch nach ausgebildetem Personal als Grundvoraussetzung für eine künftige Lizenzvergabe schließen – ein Gedanke, den auch Vertreter:innen der Cannabiswirtschaft unterstützen.
Antworten auf weitere implizite Fragen stehen jedoch noch aus : Werden die Lizenzen zum Beispiel (zeitlich oder numerisch) limitiert? Was genau wird überhaupt als “Fachgeschäft” gelten? Welche Voraussetzungen braucht eine  Bewilligung? Werden Lizenzen beispielsweise – ähnlich wie im Schweizer Versuch – für verschiedene Formen der Abgabestellen parallel möglich? Muss medizinisch nachgewiesene Expertise Teil der Beantragung sein? Oder reicht eine Schulung in Form einer Weiterbildung? Und natürlich: Wie werden Anbau und Importe organisiert? 

Diese und viele weitere Punkte warten bisher noch auf ihre klare Definition durch politische Entscheidungsträger:innen.

Überblick über mögliche Modelle

Dennoch scheint der Zeitpunkt reif, einen Überblick über mögliche Formen der Abgabestellen zu bieten: 

 

  • Das Modell „Coffee Shop“: Im Coffeeshop findet Cannabisverkauf und -konsum an Orten statt, die gleichzeitig Begegnungszentren sind. Alters- und Mengenbeschränkung sowie fachkundige Betreuung inklusive Prävention und Suchtberatung können so sicher gewährleistet werden. Bei ausreichender Anzahl solcher Einrichtungen sind die Verdrängung des illegalen Markts sehr wahrscheinlich – vorausgesetzt der Anbau bzw. Einkauf können legal erfolgen.

  • Das Modell “Cannabis Social Club” (CSC): Hierbei handelt es sich um einen nicht-profitorientierten Verein, der für seine Mitglieder Cannabis aus Eigenanbau anbietet. Der Konsum findet hier in geschlossenen Räumen statt. Im Kampf gegen den Schwarzmarkt ist der Social Club eine bewährte Waffe: Die Preise sind der kollektiven Ausrichtung entsprechend niedrig, die Qualitätsmaßstäbe jedoch hoch. Solche Clubs existieren z.B. in Spanien. Voraussetzung dafür, dass das Konzept auch rechtlich im grünen Bereich bleibt, ist die gleichzeitige Erlaubnis zum Eigenanbau. 
     
  • Das Modell „Shop-in-Shop“: Bei dieser Variante wird Cannabis zum Beispiel in regulären Tabak- oder Alkoholgeschäften verkauft. THC-haltige Hanfprodukte fallen dann unter die gleichen Werbebeschränkungen wie Alkohol. Die Alterskontrollen können im Geschäft gesichert werden. Suchtprävention wird dann zwar eher an Schulen abgegeben – die bereits vorhandene dichte Infrastruktur solcher Geschäfte kann sich jedoch als sehr effektive Basis im Kampf gegen den illegalen Handel erweisen.

  • Das Modell „Online-Shop“: Der Online-Versandhandel lässt sich ergänzend zu allen genannten Modellen verstehen: Er stellt vor allem für die Verdrängung des Schwarzmarkts einen unschätzbaren Vorteil dar, weil er auch die Bevölkerung jenseits urbaner Zentren versorgen kann. Altersüberprüfungen können hier sowohl bei der Bestellung als auch bei der Übergabe erfolgen. Fachpersonal kann online oder telefonisch zur Verfügung gestellt werden. Von Videocall-Suchtberatungen über Finger-ID-Nutzerprofile bis hin zur ganz anonymen Anlaufstelle kann hier theoretisch alles eingerichtet werden. 

Apotheke als Abgabestelle: Eine kontroverse Diskussion

Kontrovers diskutiert wird auch ein Vertriebskonzept über die Apotheke. Die stärkste Fürsprache kommt hier bisher aus der FDP: Bundesjustizminister Buschmann (FDP) sieht starke Pluspunkte in der durch die Medizinalcannabiserfahrung etablierten Infrastruktur und dem dadurch bereits geschulten Personal. Die Vorsitzende der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) Gabriele Regina Overwiening thematisiert hingegen einen “heilberuflichen Zielkonflikt” , der durch die Vermischung von Genuss- und Arzneimitteln entstünde.  Die Apotheke als Abgabestelle könnte aus ihrer Sicht somit nur als Exklusiv-Veranstaltung funktionieren. Ganz anders sieht das die Geschäftsführerin des Verbands der cannabisversorgenden Apotheken (VCA) Christiane Neubaur. Sie hält es für unwahrscheinlich, dass sich alle Apotheken in das Projekt einklinken. In Konsequenz wäre die Infrastruktur noch deutlich löchriger als bei Medizinal Cannabis – wo sie bereits vielen als unzureichend gilt.
Ein weiterer Faktor, der dagegen sprechen könnte, sind die in Deutschland üblichen Apothekensteuern: ein klarer Preistreiber.

„Von Kanada haben wir gelernt, dass eine zu hohe Preisdifferenz zwischen staatlich geprüften Cannabis-Produkten und denen des Dealers um die Ecke die Menschen eher dazu bringt, bei ihren alten Gewohnheiten zu bleiben”, erläutert Hänsel.

„So bleibt der Hinterzimmerhandel bestehen, und das geht unweigerlich zu Lasten des Jugend- und Gesundheitsschutzes. Denn die Aufklärungsarbeit, die eine Apotheke zweifelsohne fachlich optimal leisten kann, greift ja nur, wenn auch jemand dort einkauft.“

Fazit :

Welchen Weg Deutschland in Cannabis-Vertriebsfragen einschlagen wird, ist zu diesem Zeitpunkt noch offen. Das liegt auch daran, dass die Definition dessen, was ein “lizensiertes Geschäft” genau ist, noch nicht erarbeitet wurde. Einigkeit scheint darin zu bestehen, dass geschultes Fachpersonal zur Bedingung für eine Lizenzvergabe werden könnte. Doch selbst dann sind viele Modelle möglich. Ob der Schweizer Pilotversuch die hiesige Politik beeinflussen wird und z.B. verschiedene Abgabestellen parallel als sinnvoll erscheinen lässt, man mit der Eröffnung von Coffee Shops oder Social Clubs rechnen darf – oder das Thema sich zur exklusiven Angelegenheit für Apotheker:innen entwickeln soll, wird die weitere Diskussion zeigen.

FAQ

Ist der Vertrieb von Cannabis legal?

In Deutschland ist Cannabis seit 2017 nur zu medizinischen Zwecken in Apotheken und auf ärztliches Rezept legal erhältlich. Die deutsche Bundesregierung plant jedoch, Cannabis auch zu Genusszwecken zu legalisieren. Die Abgabe soll dann in lizenzierten Fachgeschäften erfolgen.

Factsheet

Factsheet: Verkaufsstellen-Modelle

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