Cannabis-Edibles in aller Munde? Worum es bei der Kontroverse geht

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Im Zuge der Debatte rund um Genusscannabis scheinen THC-haltige Lebensmittel mehr zu polarisieren als andere Darreichungsformen. Was es mit den sogenannten Edibles auf sich hat, von welchen Erfahrungen andere Länder berichten und warum es sinnvoll sein kann, gerade dieses Segment von staatlicher Seite strikt zu kontrollieren, erfahren Sie hier.

Am 26.10.2022 hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) das Eckpunktepapier zur Legalisierung von Genusscannabis vorgestellt. Ein offener Punkt darin: Die sogenannten Edibles. Hinter dem englischen Begriff für „essbar“ verbergen sich alle mit THC versetzten Lebensmittel wie Muffins, Kekse, Kuchen, Gummibärchen oder Schokoladenriegel –  aber auch Getränke wie Tee oder Kakao. In den Coffeeshops in den Niederlanden gehören sie längst zum festen Repertoire, auch in Kanada oder verschiedenen Staaten der USA kann man sie problemlos kaufen. In Deutschland läuft die Debatte zum Thema noch: Die Bundesregierung hat die finale Beantwortung der Frage vorerst vertagt und spricht im Eckpunktepapier davon, eine Erweiterung der Produktpalette um Edibles “spätestens im Rahmen der Evaluierung des Gesetzes” zu prüfen. Grundsätzlich bleibt abzuwarten, wie die entsprechende Formulierung im Gesetzentwurf ausfallen wird, dessen Veröffentlichung für Ende März 2023 angekündigt wurde. Doch warum polarisieren ess- und trinkbare THC-Produkte überhaupt so sehr? 

Wenn schon legal, warum dann nicht alles?

Vom Châteuneuf-du-Pape zur Weihnachtsgans bis zum schäumenden Krug im Bierzelt: Berauschende Getränke haben in der westlichen Kultur seit Tausenden von Jahren einen festen Platz. Über alle sozialen Schichten hinweg gehört der Alkoholkonsum bis heute zu gesellschaftlichen Anlässen wie der Rote Teppich zur Oscarverleihung. Nicht allen mag sich daher auf Anhieb erschließen, worum sich die Diskussion um Edibles, zu denen auch THC-Limos oder das traditionelle indische “Bhang” (ein yoghurt-haltiges Getränk vergleichbar mit Lassie) gehören, eigentlich genau dreht. Nachvollziehbar schien dies, als die Trennungslinie zwischen Alkohol und Cannabis noch allseits strikt und klar verlief. Aber im Zuge einer möglicherweise bevorstehenden Legalisierung? Tatsächlich haben andere Staaten Erfahrungen mit ess- und trinkbaren Cannabisprodukten gemacht, die die Debatte in Deutschland beeinflussen können. 

Factsheet

Factsheet: Edibles

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Hintergrund: Vergiftungsfälle in Nordamerika

Erwähnenswert an der Stelle ist, dass die generelle Zustimmung der kanadischen Bevölkerung zur Legalisierung insgesamt dennoch rapide steigt: Befürworteten 2019 noch 49 Prozent der Befragten den staatlichen Verkauf von Hanfprodukten, so waren es 2021 bereits 78 Prozent: Von einem gescheiterten Projekt oder einem schlechten Image kann also nicht die Rede sein. Die Sorge darum, Edibles könnten zu Überdosierungen führen, sinkt hingegen – das allgemeine Interesse daran allerdings auch. Bevorzugten 2019 noch 36 Prozent der Befragten in Kanada diese Darreichungsform, so waren es 2021 nur noch 25 Prozent. Konstant war hingegen der Wunsch, die THC-Speise auch auswärts konsumieren zu können: Ebenfalls ein Viertel der Umfrageteilnehmer:innen würde ein Edible auch im Restaurant bestellen.
Auch in den USA ist die Zustimmung zur Legalisierung hoch: 75 Prozent befürworten sie. Der Beliebtheit von Edibles konnten die Berichte über Überdosierungen und Vergiftungen keinen Abbruch tun: 29 Prozent der Befragten gaben sie als bevorzugte Darreichungsform an. 35 Prozent würden sie im Restaurant bestellen und 21 Prozent planen, in Zukunft THC-Speisen zu konsumieren. Interessant wird es beim Thema Jugendschutz: Nur etwa die Hälfte der Befragten machte sich Gedanken dazu. Bei den Kanadier:innen waren es über 60 Prozent.

So funktionieren Edibles im Körper

Doch was unterscheidet Edibles eigentlich von anderen Darreichungsformen? Gerauchtes Cannabis wirkt deutlich schneller, dafür kürzer. Das macht sowohl die Dosierung als auch den Verlauf des THC-Rauschs leichter kontrollierbar. Wer Cannabis in Form von Edibles zu sich nimmt, wartet hingegen 30 bis 90 Minuten, bis man überhaupt etwas merkt. Und dann verselbständigt sich das Rauscherlebnis schnell nach eigenen Regeln – abhängig vom Stoffwechsel der Konsument:innen, dem Körpergewicht, der Magenfüllung, dem Terpene-Level – und natürlich der Dosis. Häufig wird der Höhepunkt bis zu vier Stunden nach Einnahme erreicht, der Nachhall kann jedoch bis zu 24 Stunden anhalten. Ab dem Moment der Ingestion besteht nur noch eine sehr reduzierte Möglichkeit, Einfluss auf den Wirkverlauf zu nehmen. Grund dafür ist die Art, wie der Körper das THC verstoffwechselt: Beim Rauchen gelangt es über die Lungenbläschen in den Blutkreislauf – dort wird es aber nur in Teilen verwertet. So fällt die Wirkung schwächer aus und verfliegt rascher. Beim Verzehr ist das anders: Ein deutlich höherer THC-Anteil gelangt bereits über den Speichel ins System, und sukzessive in Magen und Leber. Dort wird es zu 11-Hydroxy-THC umgewandelt – ein wenig erforschtes aber hochpotentes Cannabinoid. Das umgewandelte THC gelangt nun schnell ins Gehirn – mit deutlich stärkerer Wirkung.

Risikofaktor Rauchen: Warum industriell hergestellte Edibles einen Mehrwert bieten

Und doch: Der Verzehr von Cannabis kann im Vergleich zu anderen Darreichungsformen Gesundheitsvorteile bieten. So ist er deutlich ungenschonender als die herkömmliche Rauchware. Wer seinen Hanf mit Tabak mischt, geht nämlich sowohl ein höheres Krebs- als auch ein Suchtrisiko ein. Nicht zuletzt bedarf es keiner gesonderten Erlaubnis, Cannabis zum Beispiel in heißem Kakao aufzulösen. Dazu benötigt man schon jetzt nur ein paar Milligramm Blüten oder Haschisch und den Zugang zu einem Herd. Nur: Bei der DIY-Variante bestehen kaum Möglichkeiten der genauen Messbarkeit, zum Beispiel des  THC-Gehalts. Die Gefahr einer Überdosierung ist durch ein Edible-Verbot also keineswegs gebannt – im Gegenteil: Sie steigt potentiell. Genauso wie die Wahrscheinlichkeit, dass der Dreikäsehoch zu einem ofenfrischen Keks greift, der für ihn einfach aussieht wie ein Keks – und nicht wie ein essbares Rauschmittel.
So argumentieren Befürworter:innen der essbaren Darreichungsform, dass es gerade industriell gefertigte Edibles sind, die verschiedene Schreckensszenarien reduzieren können, indem der THC-Gehalt strikt kontrolliert, die Packungen eindeutig gekennzeichnet und somit verträgliche Dosierungen ermöglicht werden.

Safer-Use Guidelines statt Tarn-Schokolade

Zu den Befürworter:innen von Edibles zählen u. a. die Bundestagsabgeordnete Kristine Lütke (FDP) und Sanity-Group-CEO Finn Hänsel. Der Unternehmer versteht zwar auch die mahnenden Stimmen und das behutsame Eruieren der Bundesregierung, plädiert jedoch auch weiterhin für eine verantwortungsvolle Umsetzung. Im Verbund mit anderen Stakeholdern setzt sich sein Unternehmen für strikte SaferUse-Richtlinien ein. So müsse bereits das Packaging ganz klare Abgrenzungen und ausdrückliche Hinweise enthalten, um Verwechslungen vorzubeugen. Auch funktionale Kindersicherungen an der Verpackung seien zwingend. Und natürlich führt auch bei Edibles kein Weg an strikten Alterskontrollen und geschultem Fachpersonal in den Abgabestellen vorbei. 

Fazit

  • Edibles sind eine lungenschonende Darreichungsform von Cannabis und bisher z. B. in Kanada, manchen Staaten der USA und den Niederlanden legal.
  • Durch industrielle Fertigung wird eine bessere THC-Kontrolle und somit Dosierbarkeit möglich.
  • Jugendschutz muss höchste Priorität genießen und schließt entsprechendes Marketing – von Verpackung bis Abgabekontrolle – ein: Kindersichere Verpackungen und Reduzierung der Verwechslungsgefahr mit “harmlosen” Süßigkeiten eingeschlossen.
  • Hersteller sollten mit Safer-Use Guidelines aktiv zur Prävention beitragen.

Beitragsbild: Unsplash.com