Im Zuge der Cannabislegalisierung wird Cannabis (einschließlich der Cannabisarzneimittel wie Dronabinol) aus dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) entfernt. Hat dies auch Implikationen für Menschen, die aus medizinischen Gründen Cannabis konsumieren – und wenn ja welche? Wir klären auf.
Cannabisarzneimittel – das galt bisher:
Medizinalcannabis ist seit 2017 in der Bundesrepublik Deutschland erlaubt – allerdings unter sehr strengen Auflagen. Denn einen Anspruch auf Versorgung mit Cannabisprodukten konnte man nach § 31 Absatz 6 SGB bisher nur stellen wenn:
1. eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung stand
2. bestimmte Medikation nach Einschätzung des behandelnden Arztes nicht angewandt werden konnte
3. eine realistische Aussicht auf eine spürbare Verbesserung des Krankheitszustandes oder Linderung der Symptome bestand.
Zudem waren die Hürden für die Verschreibung hoch: Immerhin fiel Cannabis, einschließlich seiner medizinischen Darreichungsformen wie Dronabinol oder Sativex, unter das deutsche Betäubungsmittelgesetz (BtMG). Anträge mussten somit vorab von den Krankenkassen genehmigt werden – und viele GKV-Patient:innen klagten über eine exorbitante Ablehnungsquote. Zudem waren die verschreibende Ärzt:innen die ersten fünf Jahre verpflichtet, aufwändige Begleitdokumentationen zu erstellen. Im Ergebnis bedeutete das häufig, dass vor allem Patient:innen im Terminalstadium reale Chancen auf ein Rezept hatten. Viele andere gingen leer aus – und deckten ihren medizinischen Bedarf stattdessen entweder auf private Kosten oder, im schlimmsten Fall, auf dem Schwarzmarkt.
Medizinalcannabis bleibt verschreibungspflichtig
Auch in Zukunft muss Medizinalcannabis von Ärzt:innen verschrieben und von Krankenkassen genehmigt werden. Die Versorgungsinfrastruktur an sich soll unangetastet bleiben. Das bedeutet: Auch in Zukunft sollen ausschließlich Apotheken Medizinalcannabis abgeben dürfen. Die Lizenzen zum Anbau erfolgen nach denselben Kriterien wie bisher.
Kein Betäubungsmittel? Das bedeutet: Kein Betäubungsmittelrezept!
Bisher konnte Cannabis nicht über ein „gewöhnliches“ Apothekenrezept verschrieben werden, sondern nur über ein sog. „Betäubungsmittelrezept“ – damit wurde es ähnlich behandelt wie etwa Morphin oder Fentanyl. Das wird sich ab dem ersten Geltungstag des neuen Gesetzes ändern: Cannabis kann fortan per ganz normalem Apothekenrezept verschrieben werden. Das minimiert den insgesamt anfallenden bürokratischen Aufwand ungemein.
Die Hürden für verschreibende Ärzt:innen werden abgesenkt
Die Datensammlung zur Begleiterhebung wurde bereits 2022 abgeschlossen. Wenn Cannabisarzneimittel (CAM) nun nicht mehr unter das BtMG gestellt werden, haben es verschreibungswillige Ärzt:innen deutlich leichter, ihren Patient:innen Zugang zur Medikation zu gewähren.
Apotheken sparen Zeit und Geld
Auch für Apotheken macht es einen Unterschied, ob sie mit einem BtM-Stoff zu tun haben oder nicht: Diese müssen z.B. im Tresor gelagert werden, außerdem besteht eine Dokumentationspflicht. All das entfällt für Medizinalcannabis mit der Gesetzesnovelle. Das spart laut Schätzungen der Bundesregierung ganze fünf Minuten Bearbeitungszeit – pro Verordnung. Und Zeit ist Geld: In dem Fall insgesamt etwa zwei Millionen Euro Personalkosten.
Erleichterung für die Patient:innen
Wenn es leichter für Ärzt:innen wird, Cannabisarzneimittel zu verschreiben, wird es auch leichter für Patient:innen, Cannabisarzneimittel zu bekommen.
Vorsicht: § 5 Absatz 2 regelt, dass der Konsum von Cannabis im Radius von 200 Metern um Spielplätzen, Schulen, Jugendeinrichtungen, Fußgängerzonen u.ä. untersagt ist. Das gilt auch für Medizinalcannabis!
Gleichzeitig gelten die „üblichen“ Regeln für THC-Obergrenzen im Straßenverkehr für Medizinalcannabispatient:innen nicht. Daher empfiehlt es sich, beim Fahren stets einen ärztlichen Nachweis über die Medikation mitzuführen.
Wachsender Markt für Medizinalcannabis
Branchenkenner gehen im Resultat von einem signifikanten Nachfrageanstieg aus: Der Bedarf ist bereits da, nur wurde der Markt bisher mit zahlreichen Hürden versehen. Werden diese den verschreibenden Ärzt:innen und Patient:innen nun sukzessive aus dem Weg geräumt, ist ein Wachstum von 400% – 600% denkbar.
Krankenkassen: Für einen „Genehmigungsvorbehalt“ scheint immer weniger zu sprechen
Zwar enthält das CanG soweit keine Novellen zur Kostenübernahme oder -erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen; doch könnte es zunehmend schwerer für sie werden, Therapien im selben Ausmaß wie bisher weiter abzulehnen. Schon in der Vergangenheit hatten Quoten von bis zu 40% Fachleute sehr verärgert. Bis heute reißen die Forderungen, den Genehmigungsvorbehalt abzuschaffen, nicht ab. Bisher schienen Kassen davon unbeeindruckt. Doch im Zuge der Entstigmatisierung von Cannabis könnte sich hier ein Sinneswandel einstellen.
Fazit:
- Die Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz wirkt sich signifikant – und positiv – auf die Verschreibungspraxis von Medizinalcannabis aus.
- Branchenvertreter:innen wie Sanity Group CEO Finn Hänsel begrüßen diese Entwicklungen ausdrücklich, da sie sichtliche Erleichterungen für Patient:innen, Ärzt:innen und Pharmazeut:innen bedeuten.
- Der Genehmigungsvorbehalt der Krankenkassen bleibt ein neuralgischer Punkt in der Diskussion.
- Branchenkenner rechnen mit massivem Wachstum des Marktes für Medizinalcannabis
FAQ :
Wann tritt das neue Cannabisgesetz in Kraft?
Das CanG soll 2024 in Kraft treten. Ob dies jedoch schon zum 1. April oder erst zum 1. Juli der Fall sein wird, ist derzeit noch nicht klar.
Was ist der Unterschied zwischen KCanG, CanG und MedCanG?
KCanG steht für “KonsumCannabisGesetz”, CanG für “Cannabisgesetz” und MedCanG für “Medizinalcannabisgesetz. Faktisch meinen die ersten beiden Abkürzungen das selbe Gesetz, das ab 2024 in Kraft treten und den Konsum von Cannabis für sämtliche angrenzende Bereiche neu regeln soll. Das MedCanG regelt lediglich die Rechtslage für Medizinalcannabis.
Was ändert sich mit dem neuen Gesetz?
Eine der großen Veränderungen des CanG ist die Streichung von Cannabis aus dem Betäubungsmittelgesetz. Das hat auch Auswirkungen auf Menschen, die Cannabis als Medizin benötigen: Die Verschreibung und Rezeptvergabe wird nun wesentlich leichter. An den Kriterien für die Produktionslizenzen ändert sich durch die Gesetzesnovelle nichts: Schließlich ist es gerade bei Medizinalcannabis wichtig, dass die höchste Qualitätsstufe eingehalten wird.