Cannabis auf Rezept: Trotz Legalisierung viele Hürden

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Cannabis-Therapien erfreuen sich seit ihrer Legalisierung 2017 wachsender Beliebtheit. Und doch: Ganz barrierefrei sind sie für viele Patient:innen noch nicht. Von der Arzt-/Ärztinnensuche bis zur Kostenübernahme durch gesetzliche Krankenkassen können einige Hürden auftauchen.

Der lange Weg zum Cannabis-Rezept: Max S. sitzt im Wartezimmer der Praxis von Dr. P. und wippt nervös mit dem Bein. Dies ist schon sein vierter Anlauf, einen Arzt bzw. eine Ärztin zu finden: Der junge Mann aus einer mitteldeutschen Kleinstadt hat ein chronisches Leiden – und mit Medizinalcannabis sehr gute Erfahrungen gemacht. Doch bisher ist er trotz der Legalisierung des Therapeutikums im Jahr 2017 Selbstzahler – weil er noch keine Mediziner:innen finden konnte, die den hohen Verwaltungsaufwand einer cannabisbasierten Therapie auf sich nehmen. Angesichts steigender Lebenshaltungskosten kann der Familienvater seine Medikamente jedoch nicht länger im Alleingang finanzieren. Und diesmal hat er Glück: Dr. P. hat sich vor Kurzem umfassend zum Thema informiert. Die Datenlage und Erfahrungsberichte haben ihn vom gesundheitlichen Mehrwert der Cannabis-Therapie überzeugt. Max S. bekommt die notwendige ärztliche Unterstützung.

Die Verschreibung als Hürde

Die Geschichte von Max S. steht stellvertretend für den Leidensweg vieler Patient:innen in Deutschland. Medizinische Cannabis-Therapien sind seit 2017 zwar in verschiedenen Formen legal – doch nicht ganz so leicht zugänglich, wie man es erwarten würde. Einen verschreibenden Arzt bzw. eine Ärztin zu finden, stellt hier nur die erste aller potenziellen Hürden dar: Viele Mediziner:innen sind in Bezug auf die neu verfügbare Therapieform noch unsicher. Dies hat unterschiedliche Gründe: Zum einen regelt das Gesetz, dass Cannabinoide bei Schwerkranken zwar eingesetzt werden dürfen – doch nur wenn sich Alternativen aus medizinischen Gründen entweder bereits disqualifiziert haben oder sie keinen großen Erfolg mehr versprechen. Es bedarf also einer expliziten Begründung für diese Therapieentscheidung – und sehr ausführlichen Auskünften dazu. Bis vor Kurzem bestanden zum anderen Dokumentationspflichten gegenüber dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) – insgesamt also ein deutlich höherer Verwaltungsaufwand als bei herkömmlichen Verschreibungen.

Eine medizinische Cannabis-Therapie kann legal zum Einsatz kommen, wenn:

  • eine schwerwiegende Erkrankung vorliegt.
  • aktuelle Therapien keine ausreichende Wirkung zeigen oder nicht zur Anwendung kommen können.
  • die Aussicht einer positiven Auswirkung auf den Krankheitsverlauf besteht.

Hürde: Kostenübernahme

Eine weitere Hürde besteht in der Kostenübernahme durch die gesetzlichen Krankenkassen. Hierfür müssen Patient:innen in Zusammenarbeit mit den behandelnden Mediziner:innen eigens einen Antrag stellen. Ein Teil ist vom Therapiewilligen selbst auszufüllen, ein Teil von den behandelnden Ärzt:innen.
Im ärztlichen Fragebogen sind genaue Informationen zur Behandlung selbst, dem Cannabismedikament, dem Handelsnamen, der Dosierung sowie die Darreichungsform anzugeben. Auch die explizite Begründung dafür, weshalb eine andere Therapieform nicht in Frage kommt, ist hier ausführlich zu erläutern. Und schließlich müssen Ärzt:innen auch die Fachliteratur angeben, auf Basis derer sie zur Entscheidung gelangt sind. 
Nur bis ins Detail korrekt ausgefüllte Anträge werden genehmigt. Daran scheitern bereits einige Einreichungen. Eric Cloutier, Head of Medical bei der Sanity Group, erlebt jedoch auch regelmäßig die Infragestellung der klinischen Beurteilung behandelnder Expert:innen durch die Kassen. So hielt der Medizinische Dienst der gesetzlichen Krankenkassen Cannabis oft für kontraindiziert – oder verwies auf weitere bestehende Therapiealternativen.

Nach Einsendung der Unterlagen haben die gesetzlichen Krankenkassen drei bis fünf Wochen Zeit, einem Antrag stattzugeben. Sollte eine Therapie bereits etwa im Krankenhaus begonnen worden sein, ist die Entscheidung binnen drei Tagen zu fällen. Eine Ablehnung ist theoretisch nur in gut begründeten Ausnahmefällen möglich. In der Praxis haben aber laut einer repräsentativen Statista-Umfrage im Auftrag der Sanity Group mehr als die Hälfte der Therapiewilligen diese Erfahrung gemacht. Hinzu kommt, dass der gesamte Prozess bei jedem Medikamentenwechsel neu aufgerollt wird: Sollte beispielsweise Dronabinol bereits einmal genehmigt worden sein, nun aber auf eine Therapie mit Cannabisextrakt oder -blüten umgestellt werden, wird eine erneute Antragstellung inklusive aller genannten Schritte notwendig. Eine Alternative zu dieser Odysee können Selbstzahler:innen-Rezepte sein.

Die Apothekensuche

Vier Wochen später hält Max S. sein Rezept in der Hand: Die Kostenübernahme wurde genehmigt. Als langjähriger Selbstzahler weiß er bereits, wo er sein Therapeutikum erhält. Anders als viele Patient:innen, die nun verblüfft feststellen müssen: Nicht jede Apotheke führt ihr Medikament – entweder nicht in der verschriebenen Darreichungsform, nicht in ausreichenden Mengen oder schlicht grundsätzlich nicht. Hier kann der Verband der Cannabis versorgenden Apotheken e. V. (VCA) Hilfestellung bieten. Als kompetenter Ansprechpartner für den gesamten Prozess kann u. a. auch der Medizincalcannabisspezialist Vayamed unterstützen. Die deutschlandweite Beratung zur Cannabis-Therapie richtet sich sowohl an medizinisches Personal als auch an Therapiewillige. Ziel ist es, sowohl Ärzt:innen, Apotheker:innen, als auch Patient:innen den Weg durch den Hürden-Dschungel hindurch zum Rezepterhalt zu erleichtern.

Vom Gesetz zur Umsetzung in sieben Schritten

  1. Verschreibende Praxis finden
  2. Arzttermin
  3. Auswahl der cannabisbasierten Therapie
  4. Antragstellung auf Kostenübernahme
  5. Verschreibung und Erhalt des Rezepts
  6. Apotheke finden
  7. Rezept einlösen

FAQ

Wie und wo bekomme ich Cannabis auf Rezept?
Cannabis auf Rezept bedarf der Verschreibung durch eine:n Arzt:Ärztin. Um herauszufinden, welche Praxen hier in Frage kommen, bieten verschiedene Verbände Hilfestellung. 

Was muss man haben um Cannabis auf Rezept zu bekommen?
Für Cannabis auf Rezept gibt es keine definierten Krankheitsbilder. Notwendig für eine Verschreibung ist jedoch eine als schwerwiegend einzustufende Erkrankung. Ferner bedarf es einer ärztlichen Einschätzung, dass alternative Therapien aus medizinischen Gründen nicht angewandt werden können. Auch muss eine positive Auswirkung auf den Krankheitsverlauf in absehbarer Zeit wahrscheinlich sein.

Verwendetes Beitragsbild: Unsplash.com