Seit 2021 plante die Ampelkoalition in Deutschland die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken an Erwachsene – seit dem 1. April 2024 ist Cannabis als Genussmittel teilweise legalisiert. Welche Hürden die Regierung in der Vergangenheit überwinden musste und welche Aufgaben aktuell und zukünftig noch warten, zeigt unser Zeitstrahl zur Cannabis-Legalisierung.
Stand: April 2024
(Änderungen vorbehalten)
Deutschland hat den ersten Schritt der Teillegalisierung von Cannabis zu Genusszwecken zum 1. April 2024 erfolgreich umgesetzt. Das Vorhaben der deutschen Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP, die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene auch über lizenzierte Fachgeschäften einzuführen, bleibt jedoch weiterhin komplex und umfassend. Denn um den kommerziellen Anbau von Cannabis zu legalisieren, müssen viele Aspekte berücksichtigt werden.
So sind an dem Unterfangen diverse Ministerien beteiligt, vom Bundesgesundheitsministerium über das Justizministerium, das Innenministerium bis hin zum Landwirtschaftsministerium; darüber hinaus wird Deutschland sein Vorhaben voraussichtlich auch mit der EU-Kommission abstimmen. All das kostet Zeit und wird sich weiter über mehrere Jahre erstrecken, wie von Anfang an klar war. Welchen langen Weg die Thematik “wann Bubatz legal” bisher hinter sich hat und welche Hürden die Regierung zukünftig noch nehmen muss, erfahrt ihr in unserem Zeitstrahl. Die Übersicht zeigt, welche Schritte notwendig waren/sind und wann sie umgesetzt wurden/werden, um das komplexe Verfahren vom Schluss des Koalitionsvertrags Ende 2021 bis zum ersten möglichen legalen Verkauf von Cannabis und darüber hinaus zu realisieren.
Die neu gewählte Bundesregierung aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP kündigt in ihrem Koalitionsvertrag 2021-2025 die kontrollierte Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken für Erwachsene an:
Start des Konsultationsprozesses mit über 200 Expert:innen im Juni 2022, geleitet vom Beauftragten der Bundesregierung für Sucht- und Drogenfragen, Burkhard Blienert.
Veröffentlichung des ersten Eckpunktepapiers der Bundesregierung¹ im Oktober 2022. Das Papier stellt die Basis für einen Gesetzesentwurf dar.
Beginn der Erarbeitung des Gesetzesentwurfs² durch Bundesministerien sowie Beauftragung eines medizinisch-wissenschaftlichen Gutachtens.
Zum Ende des ersten Quartals 2023 war die Veröffentlichung eines Gesetzesentwurfs angekündigt. Im April 2023, in der Woche nach Ostern, präsentierten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir dann stattdessen zunächst überarbeitete Eckpunkte, die eine Legalisierung in einem Zwei-Säulen-Modell vorsehen:
Veröffentlichung des vom Bundesgesundheitsministerium in Auftrag gegebenen medizinisch-wissenschaftlichen Gutachtens des Instituts für interdisziplinäre Sucht- und Drogenforschung in Hamburg. „Ziel der Legalisierung sollte sein, für gegenwärtig konsumierende Menschen ein legales Angebot zu schaffen, ohne dabei die Attraktivität des Konsumeinstiegs zu erhöhen“, so die Gutachter.
Nach dem Antrag von drei deutschen Amtsgerichten hatte sich das Bundesverfassungsgericht mit der Frage beschäftigt, ob das strafbewehrte Cannabisverbot in Deutschland verfassungskonform ist. Im Juli 2023 dann das Urteil: Der Besitz von Cannabis zu Genusszwecken kann in Deutschland auch weiter bestraft werden. Die drei Amtsgerichte, die das fast 30 Jahre alte Verbot zuvor für nicht mehr verfassungsgemäß gehalten und sich an das oberste deutsche Gericht gewandt hatten, hätten keine ausreichende Begründung vorlegt, weshalb von der früheren Verfassungsgerichtsentscheidung heute abzuweichen sei, so die Verfassungsrichter. Daher habe das Gericht die Vorlagen der Amtsgerichte als unzulässig erklärt. Bereits 1994 hätte das Bundesverfassungsgericht zugestanden, dass die gesundheitlichen Schäden bei mäßigem Cannabis-Genuss als eher gering einzuschätzen sind; insofern hätten die Amtsgerichte nichts Neues vorgetragen. Damit ist klar: Der Gesetzgeber muss das Cannabisverbot bzw. dessen Aufhebung regeln.
Zur ersten Säule, die den privaten und gemeinschaftlichen, nicht-gewinnorientierten Eigenanbau vorsieht, wurde im Juli 2023 der Gesetzentwurf (Referentenentwurf) vorgelegt. Der folgende Kabinettsentwurf wurde anschließend Mitte August 2023 beschlossen.
Ab da: Start des parlamentarischen Verfahrens und der Anhörungen im Deutschen Bundestag mit internen & externen Expert:innen. Eine zustimmungspflichtige Einbringung im Bundesrat ist nicht geplant (dennoch wird der Bundesrat im regulären Verfahren angehört, denn kein Bundesgesetz kommt ohne die Befassung des Bundesrats zustande).
Ablauf des parlamentarischen Prozesses:
Am 1. April ist das Cannabisgesetz (CanG) in Kraft getreten. Damit wurde der Cannabiskonsum entkriminalisiert, der Eigenanbau und Cannabis-Clubs erlaubt (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt⁴). Auch die Patientenversorgung mit Medizinalcannabis wurde durch das im CanG enthaltene Medizinalcannabisgesetz (MedCanG) verbessert.
Der Lizenzierungsprozesses für die Cannabis-Clubs startet ab dem 1. Juli 2024.
Der Gesetzentwurf zur zweiten Säule, die regionale Modellprojekte mit kommerziellen Lieferketten vorsieht, soll “im Anschluss an Säule 1” vorgestellt werden. Dann erfolgen voraussichtlich die Einreichung des Gesetzentwurfs bei der EU-Kommission und der Start des EU-Notifizierung-Prozesses³: Gemäß (EU-)Richtlinie 2015/1535 wird geprüft, ob das nationale Recht mit dem EU-Recht in Einklang steht.
In dieser Zeit: Sogenannte Stillhaltefrist für Implementierung des Gesetzes in Deutschland (drei bis sechs Monate).
Im Anschluss wird das Feedback der EU-Kommission zum Gesetzentwurf der Säule 2 (Pilotprojekte) erwartet. Davon ist abhängig, wie es weitergeht:
a) Entweder Beginn des parlamentarischen Verfahrens mit Gesetzentwurf (circa sechs bis neun Monate insgesamt) und/oder Nachbesserungen, die von der EU gefordert werden.
b) Oder Anpassungen am ursprünglichen Entwurf im Falle einer negativen Rückmeldung der EU, dass der Gesetzentwurf nicht mit EU-Recht in Einklang steht.
Die Bürger:innen aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union wählen das Europäische Parlament für die nächsten fünf Jahre. Der Wahlausgang könnte auch indirekt Einfluss auf das Verfahren der Säule 2 haben.
Erstes legales Cannabis zu Genusszwecken aus Cannabis-Clubs erhältlich.
In der ersten Jahreshälfte 2025 wird eine Abstimmung über das Gesetz (oder Teile davon) zu Säule 2 im Bundesrat erwartet.
Im Anschluss: Verabschiedung des Gesetzentwurfs zur zweiten Säule (Pilotprojekte) gerechnet werden; mögliche Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt.
Damit würde dann auch der Lizenzierungsprozess für Pilotprojekte (über Behörden des Bundes bzw. der Bundesländer) beginnen; dürfte sich über mehrere Monate erstrecken.
Im September 2025 wird der nächste Deutsche Bundestag auf vier Jahre für die 21. Legislaturperiode gewählt. Eine neu gewählte Regierung könnte dem Thema Cannabis kritischer gegenüberstehen.
Start der ersten Pilotprojekte und legalen Abgabe von Cannabis zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften.
Mögliche Zeiträume für Evaluierungen der Gesetze:
Infografik
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Glossar
1) Eckpunktepapier:
Das Eckpunktepapier ist die Grundlage für einen Gesetzesentwurf. Es wird in Abstimmung mit allen betroffenen Bundesministerien erstellt. Wie der Name schon sagt, fasst das Eckpunktepapier die wichtigsten Eckpunkte des geplanten Gesetzes zusammen. Es ist in der Regel deutlich weniger umfangreich als ein Gesetzesentwurf. Nach einer grundsätzlichen Zustimmung des Bundeskabinetts zum Eckpunktepapier werden die Eckpunkte von den zuständigen Ministerien in einen detaillierteren Gesetzesentwurf überführt.
2) Gesetzesentwurf:
Ein Gesetzesentwurf ist der vollständig formulierte Text eines Gesetzes, der den gesetzgebenden Organen zur Beratung und Abstimmung vorgelegt wird. Bis zur endgültigen Abstimmung trägt der Gesetzestext den Titel “Gesetzentwurf”. Ein Gesetzesentwurf durchläuft während des politischen Prozesses mehrere Phasen:
a) Der Gesetzesentwurf, der von einem oder mehreren Ministerien verfasst wird, wird “Referentenentwurf” genannt. Der Referentenentwurf wird der Bundesregierung zur Beratung und Entscheidung im Kabinett vorgelegt.
b) Der “Regierungsentwurf” ist der von der Bundesregierung (im Kabinett) beschlossene und dann dem Deutschen Bundestag vorgelegte Gesetzentwurf. Dieser Gesetzentwurf kann sich im Laufe des parlamentarischen Prozesses noch ändern, da Sachverständigengutachten, parlamentarische Anhörungen und Gesetzesänderungen eingearbeitet werden. Auch der Bundesrat hat das Recht, zu dem Entwurf Stellung zu nehmen. Die weitere Beteiligung des Bundesrates (ggf. Zustimmung zum Gesetzentwurf) hängt vom Inhalt des Gesetzentwurfs ab.
3) EU-Notifizierungs-Prozess:
Der Begriff “Notifizierung” beschreibt ein Verfahren, bei dem die EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Kommission und in manchen Fällen auch andere Mitgliedsstaaten über einen Rechtsakt informieren, bevor dieser als nationale Gesetzgebung in Kraft treten kann. Dies ist der Fall, wenn es sich um Rechtsakte handelt, die für den EU-Binnenmarkt relevant sind. Während die EU-Kommission den Rechtsakt prüft, ist es dem Mitgliedstaat untersagt, den betreffenden Rechtsakt umzusetzen. Diese “Stillhaltefrist” kann zwischen drei und sechs Monaten dauern.
4) Bundesgesetzblatt / Gesetz:
Sobald der Gesetzesentwurf verabschiedet ist, wird er im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Erstmals können die Bürger:innen den verbindlichen Gesetzestext in der endgültigen Form lesen. Korrekturen sind nicht mehr möglich – außer in einem völlig neuen Gesetzgebungsverfahren. Der Bundestag entscheidet, ob ein Gesetz sofort am Tag nach der Verkündung, zu einem späteren Zeitpunkt oder sogar rückwirkend in Kraft tritt. Das hängt ganz vom Inhalt der Regelung ab.
Quellen:
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Koalitionsvertrag/Koalitionsvertrag_2021-2025.pdf
https://www.bundesrat.de/DE/aufgaben/gesetzgebung/verfahren/verfahren.html
https://www.bundestag.de/parlament/aufgaben/gesetzgebung_neu/gesetzgebung/weg-255468
Verwendete Fotos (sofern nicht anders gekennzeichnet): Unsplash.com, Canva.com
Auch interessant:
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Glossar
1) Eckpunktepapier:
Das Eckpunktepapier ist die Grundlage für einen Gesetzesentwurf. Es wird in Abstimmung mit allen betroffenen Bundesministerien erstellt. Wie der Name schon sagt, fasst das Eckpunktepapier die wichtigsten Eckpunkte des geplanten Gesetzes zusammen. Es ist in der Regel deutlich weniger umfangreich als ein Gesetzesentwurf. Nach einer grundsätzlichen Zustimmung des Bundeskabinetts zum Eckpunktepapier werden die Eckpunkte von den zuständigen Ministerien in einen detaillierteren Gesetzesentwurf überführt.
2) Gesetzesentwurf:
Ein Gesetzesentwurf ist der vollständig formulierte Text eines Gesetzes, der den gesetzgebenden Organen zur Beratung und Abstimmung vorgelegt wird. Bis zur endgültigen Abstimmung trägt der Gesetzestext den Titel “Gesetzentwurf”. Ein Gesetzesentwurf durchläuft während des politischen Prozesses mehrere Phasen:
3) EU-Notifizierungs-Prozess:
Der Begriff “Notifizierung” beschreibt ein Verfahren, bei dem die EU-Mitgliedsstaaten die Europäische Kommission und in manchen Fällen auch andere Mitgliedsstaaten über einen Rechtsakt informieren, bevor dieser als nationale Gesetzgebung in Kraft treten kann. Dies ist der Fall, wenn es sich um Rechtsakte handelt, die für den EU-Binnenmarkt relevant sind. Während die EU-Kommission den Rechtsakt prüft, ist es dem Mitgliedstaat untersagt, den betreffenden Rechtsakt umzusetzen. Diese “Stillhaltefrist” kann zwischen drei und sechs Monaten dauern.
4) Bundesgesetzblatt / Gesetz:
Sobald der Gesetzesentwurf verabschiedet ist, wird er im Bundesgesetzblatt veröffentlicht. Erstmals können die Bürger:innen den verbindlichen Gesetzestext in der endgültigen Form lesen. Korrekturen sind nicht mehr möglich – außer in einem völlig neuen Gesetzgebungsverfahren. Der Bundestag entscheidet, ob ein Gesetz sofort am Tag nach der Verkündung, zu einem späteren Zeitpunkt oder sogar rückwirkend in Kraft tritt. Das hängt ganz vom Inhalt der Regelung ab.